Mein Hodenkrebs
Erste Anzeichen
Am 6. Juni 2001, fuhr ich in meinem Auto am späten Abend nach Hause, als ich einen leichten Druck im linken Hoden verspürte. Zuhause angekommen ging ich unter die Dusche, und weil der leichte Druck im Hoden nicht nachließ, tastete ich mich ab. Ich stellte fest, dass mein linker Hoden eine Verhärtung aufwies. Sofort bekam ich ein ungutes Gefühl, und mein erster Gedanke war „es könnteKrebs sein“ (ich weiß nicht wieso aber der Gedanke war einfach da). Ich beschloss am nächsten Tag sofort zum Urologen zu gehen. Die Nacht vom 06.- auf den 07. Juni 2001 war unruhig. Ich träumte wie man mich operierte.
Der Gang zum Urologen
Am 7. Juni 2001 ging ich nach der Arbeit zum Urologen. Der Urologe hat mich gründlich untersucht und die Diagnose stand fest „Hodenkrebs“. Ob es bösartig ist oder nicht kann man es erst während oder nach der Operation im Labor 100%ig feststellen. In den meisten Fällen handelt es sich um einen bösartigen Tumor.
Im Bruchteil von Sekunden war die Welt für mich zusammengebrochen. Ich konnte es nicht fassen, dass so was ausgerechnet mich traf. Vor allem, weil bei uns in der Familie keine Krebserkrankung bekannt war – Ich war der erste Betroffene.
Mein Urologe versuchte mich zu beruhigen in dem er sagte, dass Hodenkrebs heutzutage bis zu 98% heilbar ist, d.h. von 100 Männern werden 98 geheilt. In den ersten Minuten, wie auch Stunden sind seine Worte bei mir nicht angekommen, erst am späten Abend fing ich mich wieder.
Am nächsten Tag, den 8. Juni 2001 ging ich zum Urologen, zur Blutabnahme (Prüfung der Tumormarker), da es Freitag war musste ich auf meine Ergebnisse über das Wochenende bis Montag warten. Am Montag bekam ich die Information, dass meine Tumormarker leicht erhöht sind. Jetzt musste ich ins Krankenhaus gehen, die Operation war so gut wie sicher.
Der Gang ins Krankenhaus / Erste Operation
Am 12. Juni 2001 kam ich um 08:00 Uhr im Krankenhaus (Städtische Kliniken Dortmund Am Westfalendamm) an. Zuerst erfolgte die Aufnahme und die Untersuchung im Krankenhaus. Die Diagnose meines Urologen bestätigte sich (leider). Ich befand mich immer noch im psychisch angeknackten Zustand. Auch hier im Krankenhaus machte mir der Arzt Mut, in dem er auf mich einredete, dass diese Krankheit heilbar ist.
Es fanden am gleichen Tag weitere Gespräche mit den Ärzten statt, bezüglich der Krankheit, der Heilung, der Operation usw. Um ca. 14:00 Uhr war es soweit, die Pfleger kamen und holten mich ab, die erste Operation war im Anmarsch.
Der Eingriff hat ca. 45 Min. gedauert, es wurde ein ca. 7 cm langer Schnitt im linken Leistenbereich gemacht,und den linken Hoden hat man entfernt. Am nächsten Tag kamen die Ärzte (wie immer morgens) zur Visite, die Ergebnisse aus dem Labor waren auch schon da. Da habe ich mich vom ersten Schock noch nicht erholt und musste schon den nächsten verkraften, der Tumor war bösartig.
Wieder kam es zu Gesprächen mit den Ärzten. Die Ärzte haben wieder auf mich eingeredet, dass diese Geschichte mit dem Hodenkrebs heutzutage heilbar ist, auch wenn der Krebs spät erkannt wird.
Diverse Untersuchungen
Jetzt fanden weiteren Untersuchungen statt wie: Die Blutuntersuchung auf Tumormarker (Ergebnisse aus meiner Sicht: positiv);
Computer Tomographie (CT)
Da meine Tumormarker nicht besonders erhöht waren, kam es zu einer einfachen CT. Da es bekannt ist welche Inneren Organe als nächstes vom Hodentumor angegriffen werden, wurden auch gezielt diese Organe untersucht wie z.B.: Die Lymphknoten im hinteren Bauchbereich, die Nieren und die Lunge. Nach ca. 10 – 15 Min Wartezeit kam die erlösende Nachricht, es haben sich keine Metastasen gebildet. Jetzt schien die Welt für mich wieder einigermaßen in Ordnung zu sein. Nur da war noch eins, durch die CT kann man nur Metastasen entdecken die Größer als 4 Millimeter sind.
Jetzt fanden Gespräche in der Klinik statt (in der ich operiert war) bezüglich des weitern Verlaufs der Heilung. Weiterhin empfohlen mir die Ärzte sich einer weiteren Operation unterzuziehen, um festzustellen ob sich in den Lymphknoten Metastasen gebildet haben. Um Nachts ruhig schlafen, und ohne sonstige Bedenken weiter leben zu können, habe ich dieser Operation zugestimmt.
Kryo Konservierung (Eine Investition in die Zukunft)
Durch die Beratung und Gespräche mit den Ärzten war ich mir über die Risiken der zweiten Operation bewusst. Auch eine mögliche Chemotherapie nach der Operation (falls Metastasen sich doch in meinen Lymphknoten gebildet haben sollten) war ein Risiko für mich.Da mein Wunsch nach eigenen Kindern sehr groß war/ist, habe ich mich entschlossen meinen Samen einzufrieren. In so einem Fall sollte man nicht auf das Geld schauen, sondern sich mehr Gedanken über den weiteren Verlauf der Zukunft machen.
Die zweite Operation
Am 9. Juli 2001 kam ich wieder am späten Abend ins Krankenhaus, und war schon seit einem Tag auf Diät. Die Operation sollte am Mittwoch, den 11. Juli 2001 stattfinden und bis dahin musste ich so gut wie hungern. Der Dienstag (10. Juli 2001) war ein unangenehmer Tag, denn mein Darm musste vom sämtlichen Schleim geleert werden. Jetzt kam der Tag der zweiten Operation, die Krankenpfleger holten mich zwischen 09:00 und 10:00 Uhr ab. Liegend auf dem Operationstisch noch im Bewusstsein, scherzte ich etwas mit den Ärzten, indem ich sie gebeten habe mit meinen Organen ordentlich und schonend umzugehen. Diese Operation dauerte fast vier Stunden und war äußerst schwierig. Nach der Operation als ich auf der Intensivstation aufwachte, sah ich mich an sechs verschiedenen Schläuchen angeschlossen. Dieses Bild war einem Fantasiefilm nah. Der Tag danach war nicht gerade so wie ich es mir vorgestellt habe, die Ärzte kamen mit einer schlechten Botschaft herein. Die Lymphknoten wurden im Labor auf Metastasen überprüft und zwei davon waren befallen. Irgendwie habe ich gedacht „Oh mein Gott, wann werden die schlechten Nachrichten endlich aufhören“. Diese schlechte Nachricht bedeutete, dass ich durch die Chemotherapie gehen musste, keine angenehme Sache aber was soll’s, schließlich wollte man gesund werden.
Drei Tage sollte ich auf der Intensivstation bleiben, leider sind es durch einen blöden Fehler eines Pflegers sechs geworden. Durch die immer stärker werdenden Schmerzen hat er mir sehr starke Tropfen gegen Schmerzen verabreicht, nach ca. einer Stunde musste ich mich übergeben und die Schmerzen waren fast nicht mehr auszuhalten. Ich bin sehr widerstandfähig was Schmerzen angeht, aber das was ich damals erlebt habe, würde ich nicht mal meinem größten Feind wünschen.
Es war eine Tortur. Ich konnte nichts essen, nichts trinken sonst musste ich mich wieder übergeben, und da mein Bauch paar Tage zuvor geöffnet wurde, haben sich die Schmerzen beim übergeben so angefühlt, als ob jemand mein Bauch wieder aufreißen würde. Am sechsten Tag ging es mir soweit gut, dass man mich schon auf die normale Station verlegen konnte. Vier Tage später hat man mir die Klammern entfernt und ca. 2 – 3 Tage später durfte ichnach Hause gehen.
Die Ruhepause vor der Chemotherapie
Jetzt habe ich fast vier Wochen Ruhepause bekommen und konnte mich psychisch auf die Chemotherapie vorbereiten. In der ersten Woche habe ich einen Portimplantat im Brustbereich (links oben) implantiert bekommen. Bei dem Portimplantat handelt es sich um einen vollständig implantierbaren Gefäßzugang, welcher den wiederholten Zugang zum Gefäßsystem ermöglicht, um wie in meinem Fall die Chemolösung zu erhalten. Der Zugang zum Port erfolgt durch eine „perkutane Einführung einer nichtstanzenden Nadel“. Dies bedeutet so viel, dass eine Nadel verbunden mit einen Katheter in den Port eingesetzt wird. Diese Implantation hat unter örtlicher Betäubung stattgefunden und war nicht angenehm, aber ich überlebte es. Ich hatte noch eine gute Woche Schmerzen bezüglich des Implantats, aber dann konnte ich die restliche Zeit mit meiner Freundin und Familie genießen.
Die Chemotherapien
1. Zyklus
Am Sonntag den, 19.08.2001 kam ich abends wieder mal ins Krankenhaus, um ca. 22:00 Uhr begann die Vorbereitung für die Chemotherapie. Ich habe einen Infusionsständer ans Bett gestellt bekommen (später sind wir gute Freunde geworden und ich taufte ihn auf den Namen Joshi). Nach ca. 3 Tagen hatte sich mein Geschmackssinn und Geruchssinn verändert und ab den 4 Tag im Krankenhaus konnte ich nichts mehr essen, alles stank mir. Am 25.08.2001 durfte ich wieder nach Hause gehen, und ich war froh, dass die erste Woche recht schnell vorbei war. Um den ersten Zyklus abzuschließen musste ich noch am 27.08.- und 03.09.2001 ambulant zur Chemotherapie kommen (jeweils für halbe Tage).
2. Zyklus
Wieder das gleiche Spielchen am 09.09.2001 (Sonntag) ging ich ins Krankenhaus zur Vorbereitung und ab Montag der Start mit der Chemotherapie. Der zweite Zyklus hatte schon mehr in sich, denn mein Geschmackssinn und Geruchssinn haben sich noch stärker verstellt und ich konnte sogar das Essen nicht mehr riechen. Diese Woche hat sich schon mehr gezogen aber als diese Woche zuende war, war ich überglücklich. Jetzt wieder zwei mal zur ambulanten Chemotherapie sowie eine größere Komplettuntersuchung.
Endlich bekam ich nach einer langen Zeit die gewünschte und erwartete Nachricht: „Wir entlassen Sie völlig geheilt“. Ein wunderschönes Gefühl, welches ich nie vergessen werde. Das Ende der Behandlung war fast erreicht, nur noch die Rehakur und dann konnte das Leben wieder normal verlaufen „Gott sei Dank“.
Die Rehakur
Irgendwie war ich nicht scharf auf die Rehabilitationsklinik, weil nach soviel Strapazen wollte ich schon bei meiner Freundin und meiner Familie bleiben, sowie zurück an meinen Arbeitsplatz kehren. Psychisch war ich wieder auf dem normalen Level und wollte nicht mehr an das erinnert werden was gewesen ist, sondern weiter nach Vorne schauen.
Nun bin ich am 03.10.2001 zur Rehabilitationsklinik nach Bad Oyenhausen „BAD OXEN“ gefahren. Die Sehnsucht nach Freundin und Familie war groß, aber wenn ich schon da war, dann versuchte ich das Beste daraus zumachen. Ich habe hier viele interessante junge Leute kennen gelernt, die mit verschiedenen Krebsarten und anderen Problemen hier in der Reha waren. Die ersten drei Wochen gingen schnell vorbei, weil nicht nur wir alle zusammen einiges unternommen haben (wie Ausflüge, Gesellschaftsspiele, Sportspiele usw.), aber auch weil ich recht oft Besuch von meiner Familie, sowie meiner Freundin und deren Eltern, bekommen habe. Die letzte Woche war für mich eine richtige Qual, denn die meisten waren abgereist und die, die noch da geblieben sind, haben sich auf den Zimmern verschlossen und auf den Entlassungstag gewartet. Aber auch diese Woche war rum und ich durfte endlich nach Hause fahren.
Fazit
Die Krankheit: Ich bin glücklich, dass ich im Unglück Glück hatte d.h. dass mich nur der Hodenkrebs erwischt hat. Die Zeit war schwierig aber sie ging doch schnell vorbei mit einem Happy End.
Das Krankenhaus: Das Krankenhaus war eine alte Ruine aber das Aussehen zählt nicht, sondern die Leistung. Die Ärzte sind einfach klasse wie auch die Pfleger. Es waren nur zwei Dinge die mich ammeisten im Krankenhaus gestört haben: Die B1 diedirektam Krankenhaus ist und die älteren schnarchenden Zimmergenossen. Beides machte das Schlafen unmöglich.
Die Rehakur: Diese Kur konnte ich mir schenken, hat nichts gebracht.
Wiederaufnahme der Arbeit
Am 02.11.2001 ging ich wieder, seit einer langen Zeit mit einem Lächeln im Gesicht, zur Arbeit. Der Alltag kehrte schnell zurück.
Danke
Ich danke meiner Freundin, meinen Eltern, Bruder, Schwägerin, Eltern meiner Freundin, meiner restlichen Familie, Freunden, Bekannten, Arbeitskollegen, Ärzten, Pflegern und allen anderen die mir sehr viel Kraft in dieser schweren Zeit gegeben haben, mich unterstützt, an mich geglaubt, für mich gebetet und mir geholfen haben schnell wieder auf die Beine zukommen.
– – – I C H D A N K E E U C H A L L E N – – –