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Rosi’s Krebs – Eine etwas andere Krankengeschichte

Meinereiner

Hallo zusammen! Ich bin Rosi Josten aus Krefeld. Ein roter Faden soll sich durch diese Beschreibung meiner Krankheit ziehen. Nämlich die Frage: Lasse ich mich durch meinen Krebs dominieren oder nicht? Ich hatte von vorneherein ein „gutes“ Gefühl und bin (von wenigen Ausnahmetagen abgesehen) felsenfest davon ausgegangen – Ich werde gesund! Woher das kam, weiß ich leider nicht. Dies hier ist keine Anleitung zum Nachmachen…
Eines hat sich aber im letzten dreiviertel Jahr bestimmt nicht verändert. Mein Humor ist noch da. Und so ernst Krebs ist, hatte ich nach dem ersten Schreck verdammt viele urkomische Erlebnisse mit dieser Krankheit…

Sinn und Unsinn von Früherkennung

Den Knoten in meiner Brust hat mein Mann zufällig beim Drüberstreicheln entdeckt. (Danke, mein Schatz ! ) Ich hatte den Klassiker. Statistisch gesehen sitzt ein Tumor sehr häufig im äußeren, oberen Viertel (Quadranten) der Brust. Ich bin regelmäßig zur Früherkennung bei meinem Frauenarzt gewesen und da war er wohl noch zu klein um festgestellt zu werden …

Trotzdem ist es bei mir besser gelaufen als bei einer netten älteren Mitpatientin, die ich später bei meinem 2. Krankenhausaufenthalt traf. Kennen gelernt habe ich sie als quicklebendige, agile Rentnerin, die den Verlust ihrer beiden Brüste gut weggesteckt hatte. Ihr Lebensmut und ihre positive Art bekam erst mit der Diagnose fortgeschrittene Knochenmetastasen einen gehörigen Dämpfer. Jahrelang war sie wegen ihrer Schmerzen durch den Hausarzt auf Weichteilrheuma behandelt worden. Meine Quintessenz daraus ist, dass uns Krebspatienten nun Krebs ein Leben lang begleitet und wir auf die Signale unseres Körpers achten müssen!

Mitte September 2001 hab ich meinem damaligen Frauenarzt den Knubbel gezeigt. Der Kerl diagnostizierte per Ultraschall eine Entzündung, die nach innen gewachsen wäre. 1,5 cm sah man da schon auf dem Ultraschall. Das ist eine Größe, bei der normalerweise (wie ich heute weiß) eine Biopsie (Probenentnahme) angeordnet wird. Nunja. Verschrieben bekam ich homöopathische Tropfen und ne Kortisonsalbe!
Zum Glück war ich Anfang Oktober zur Grippeschutzimpfung bei meinem Hausarzt. Und der stellte mir eine ganz harmlose Frage:

Was nehmen sie denn grade so an Medikamenten ein?

Aus der Praxis kam ich dann mit einer Überweisung zum Chirurgen. Als ich dann in heller Aufregung meinen Frauenarzt damit konfrontierte, meinte dieser nur lapidar:

Ja, dann machen wir halt mal eine Mammografie.

Am 26. Oktober ergab die Mammografie dann einen Tumor von 2,2 cm Größe. Ab da ging dann alles recht schnell. Ich hab mir ein Bett im Krankenhaus organisiert, weil ich aus Angst vor Komplikationen das nicht ambulant machen lassen wollte. Den 31. Oktober verbrachte ich dann mit den nötigen Vorbereitungen (Blutabnahme, Schwangerschaftstest, Lunge röntgen für die Narkose, Besprechung des Eingriffs, Ausfüllen des Anästhesiebogens usw.) Ich merkte so langsam, dass es ernst wurde. Seit ein paar Tagen hatte ich nun auch Schmerzen in der Brust. Der Knoten vergrößerte sich und brauchte Platz.

Was ne Jetstanze mit Jim Carrey zu tun hat

Vor der eigentlichen Operation wollte der Chefarzt erstmal ne Jetstanze machen. Das hört sich schlimmer an als es ist. Unter lokaler Betäubung wird dabei eine Hohlnadel in das verdächtige Gewebe gebohrt und kleine Stückchen für den Pathologen entnommen. Freitag, den 2. November war es dann soweit. Tapfer fuhr mich mein Mann zu dem Termin, wartete mit mir bis ich dran war und fuhr mich anschließend auch wieder sicher nach Hause.  😉 Für ihn mit seiner wahnsinnigen Angst vor Spritzen und Nadeln war das eine Horrorvorstellung, dass man so in mir rumporkelt. Mir machte es andererseits gar nicht viel aus. Es tut ja auch überhaupt nicht weh. Ich verlangte sogar die kleinen wurmartigen Gewebestückchen zu sehen. Eigentlich sollte ich Samstag das Ergebnis telefonisch erfahren. Nur war der Pathologe dafür nicht schnell genug. Da dies so schiefgelaufen war, bekam ich eine nette Vergünstigung. Ich verpflichtete mich ab Sonntagabend 22:00 Uhr nichts mehr zu essen oder zu trinken und konnte so eine Nacht länger im heimischen Bett verbringen. An diesem Abend lief die „Truman Show“ mit Jim Carey im Fernsehen. Ich war heilfroh, mich mit Fernsehen ablenken zu können.

Ich fange an Operationen zu sammeln

Montagmorgen kurz vor acht Uhr hatte ich mein Bett im Neuwerker Krankenhaus bezogen. Mein Mann, Michael hatte mich hingebracht und wollte unbedingt bleiben bis ich den Befund bekam. Kurz nach acht Uhr war es dann soweit. Eine Assistenzärztin überbrachte die schlechte Nachricht: “Der Pathologiebefund der Biopsie hätte leider ergeben, dass es bösartig wäre was nun herausoperiert werden müsse.“

So richtig begriffen was das heißt, habe ich in dem Moment eigentlich nicht. Ich hab ganz automatisch die obligatorische mir angebotene Beruhigungspille vor der Operation genommen. Mein Mann war auch bis ins Mark erschreckt. Er blieb nicht mehr lange mit der Begründung: Ich will nicht dran schuld sein, dass die Tablette nicht wirkt.

Zum Glück musste ich nur bis halb elf auf die Operation warten. Ich war so aufgeregt, dass die Pille eh nicht wirkte und ich hellwach auf den OP-Tisch gekrabbelt bin. Was ich an dieser und allen folgenden Operationen gehasst habe, ist das Hinlegen. Mit jedem Stückchen fixieren wurde ich hilfloser. Plötzlich liefen mir die Tränen und ich hatte richtig Angst. Das letzte was ich vor dem Einschlafen noch mitbekam, waren die Hände der OP-Schwester. Sie war hinter mich getreten, hatte ihre Hände an meine Wangen gelegt und mich beruhigend gestreichelt.

Im Aufwachraum war ich dann schon wieder eher ich selbst. Mich interessierte als erstes wie spät es ist. Der Pfleger, den ich herangewunken habe um ihn zu fragen, hat sich köstlich amüsiert, dass mich so was interessiert.

Narkose scheint mir nicht viel auszumachen, denn mich hielt es nie lange in einem Krankenhausbett. Schon nachmittags gegen fünf schaffte ich die Wahnsinnsstrecke von 30 m mit meinem Besuch zum Nichtraucherzimmer.

Einen Tag nach meiner ersten Operation fing ich mit meinen „Hausaufgaben“ an. Ich wusste fast nichts über meine Krankheit. Nun saugte ich alles auf was ich zu diesem Thema ergattern konnte. Mein Mann brachte mir Ausdrucke der blauen Reihe aus dem Internet mit. Ich verschlang alle „Ratgeberheftchen“, die im Aufenthaltsraum auslagen. Zu diesen gut gemeinten Schriften muss ich eines sagen. Probieren geht über studieren. Man findet viele Ratschläge, denn Papier ist geduldig. Man kann da zum Beispiel lesen, dass man Bügelpausen machen sollte oder die Sauna meiden sollte. All das brauche ich zum Glück nicht. Ich scheine keine Neigung zum Lymphödem zu haben, geschweige denn ist meine Beweglichkeit eingeschränkt. Aber das weiß ich halt nur weil ich es ausprobiert habe!

Was mir mehr brachte, war jeden Tag die Visite. Auf meinem Nachtisch lag jeden Morgen ein neuer Zettel mit meinen neusten Fragen. Vor allem zu den entnommenen Lymphknoten, dem Pathologiebericht und dem Befund der computertomografischen Untersuchung hatte ich Fragen. Mir kam es vor als würde ich in Rekordzeit Krebsologie (Onkologie) studieren. 😉

Der erste Dämpfer

Meinen ersten von etwa vier Tagen insgesamt an denen es mir schlecht ging, hatte ich am Sonntag der ersten Woche im Krankenhaus. Die erste die es bemerkte war Schwester Ruth. Ihre Sofortmaßnahme war ein in den Arm nehmen und trösten. Ich musste einfach mal von Herzen weinen. Mir gingen einfach der CT-Befund mit dem vergrößerten inoperablen Lymphknoten am Hals und die „Bösartigkeit“ meines Krebses (Grading, Metastasen in den Lymphknoten, schnelles Wachstum) nicht aus dem Kopf. Ohne Murren nahm ich dann nach dem Frühstück die kleine grüne „Glückspille“. Nach ein paar Stunden extra Schlaf kam zum Glück mein Mann und in seiner Nähe war mein Tief bald vorbei.

Mal was Ernstes: Mein Krebs und wie Freunde und Familie damit klarkamen

Schon ein Tag nach der ersten Operation rief mich ein Freund von mir an. Peer ist einer der fröhlichsten und positivsten Menschen, den ich kenne. Wenn man ihn kennen lernt bringt man ihn auf keinen Fall mit Krebs, Tod oder Krankheit in Verbindung. Obwohl er dafür Spezialist ist. Um es mit seinen eigenen Worten zu sagen: Er sammelt seit 17 Jahren Krebssorten und ist einfach zu stur um zu sterben. Er machte mir sofort Mut. Ich bekam das Gefühl meine Gesundung könnte vielleicht an einigen Stellen etwas unangenehm werden, aber ich schaffe das auf alle Fälle. Im Verlauf dieses Telefonats lernte ich wieder jede Menge neue Vokabeln (Knochensynthigrafie, CT…). Das wurden alles Fragen für die nächste Visite. Das aller Wichtigste an diesem Telefonat war aber, dass ich nun ein „Vorbild“ hatte. Bloß nicht Kleinbeigeben und sich in die Krankheit ergeben. Das war nun mein Ziel!

Als nächstes muss ich meinen Mann loben. Er ist quasi im Krankenhaus eingezogen. Dank seiner verständigen Chefin und seines Hausarztes hatte er viel Zeit für mich. Jede freie Minute verbrachte er mit mir im Krankenhaus. Er ließ mich nie spüren wie besorgt er um mich war. Das erfuhr ich erst im Nachhinein.

Ich muss auch meinen Freundeskreis erwähnen. Keiner (!) hatte soviel Angst vor Krebs, dass er mich fallengelassen hätte. Im Krankenhaus war es ab und an schwierig, alle die mich besuchen kamen unterzubringen. Es gab mir ein bisschen das Gefühl von Normalität wenn sich unsere Rollenspielrunde halt im Nichtraucherraum breit machte, statt wie sonst in unserem Wohnzimmer. Wer von unseren Freunden auch nicht fallengelassen wurde, war mein Mann. Wenn es ihm mal dreckig ging (er hat ja super vor mir geschauspielert), fand er immer jemanden zum Reden. Auch wurde er einfach mal zum Essen gehen mitgeschleift, damit er mal was anderes als Krankenhaus und Kantinenessen bekam. Denselben Service hatte er auch zu Hause bei meinen Schwiegereltern. Danke, ihr Lieben!

Für meine Mutter war meine Krankheit nicht so einfach zu ertragen. Da wir über 200 km von einander getrennt wohnen, konnte sie nicht so einfach da sein, wenn sie es wollte. Dazu kommt, dass meine Mamma Jahrgang 1924 ist. Kaum hatte sie zum Beispiel ihren Freundinnen erzähl, dass ihre Tochter Krebs hat, gab es überall „Krebsfachleute“. Sie konnte lange nicht zusammenbringen was sie so gehört hatte über Krebs und ihre fröhliche Tochter am Telefon.

Die Perücke – ne haarige Angelegenheit

Der erste Schritt war getan. Der Tumor war samt einiger Lymphknoten herausoperiert worden. Als einzige Komplikation hab ich gegen Ende des Krankenhausaufenthalts Pflasterblasen wegen des weißen Hansaplaststrips entwickelt. Dies stand aber meiner Entlassung nicht im Weg. Vom Krankenhaus ging es direkt in die Stadt in ein Perückenstudio. In der nächsten Woche sollte ich meine erste Chemogabe erhalten und wollte vorher noch mit den eigenen Haaren meine Perücke aussuchen. Im ersten Studio hatte ich mehrere Wischmops anprobiert. Ein anderes Wort ist dafür einfach nicht passend. Ich sah schrecklich aus. Und das gekünstelte Lächeln der ach so netten Verkäuferin machte die Angelegenheit nur noch schlimmer. Am Nachmittag waren mein Mann und ich dann in einem anderen Laden. Dort fühlte ich mich gleich viel wohler. Da machte das Probieren der Perücken mir richtig Spaß. Nach ca. 2 Stunden und der Erkenntnis, dass mir blond absolut nicht steht, fand ich meine Traumperücke. Ich entschied mich für eine moccabraune Perücke im Gegensatz zu meinen schwarzgefärbten Haaren. Und bei der Länge hab ich voll zugeschlagen. Bis über die Mitte meines Rückens statt nur schulterlang sollten sie werden. Mit diesen Aussichten fiel es mir auch nicht schwer einen Tag später meine Haare vom Friseur schon mal raspelkurz schneiden zu lassen. Die Haare, die ich dabei gelassen habe, liegen heute noch in meinem Schrank als Erinnerung.

Muss ich es extra erwähnen oder könnt ihr euch vorstellen wie ich geheult habe als meine Haare ausfielen? Na ja. Wenigstens hatte ich in der Chemozeit haarlose Beine ohne was dafür tun zu müssen. Ich hab in der Zeit sogar Witze über meinen Alienlook gerissen. Man sieht verdammt komisch aus ohne Augenbrauen.

Zu meiner Perücke muss ich noch was sagen. Einen Härtetest hat sie nicht bestanden. Perücken eignen sich nicht zum Headbangen. Ich hab diesen Extremtest auf einem InExtremo (Mittelalterrock) Konzert gemacht. Der Roadie, der den Notausgang bewachte hat ziemlich doof aus der Wäsche geschaut. 😉

Mittlerweile hab ich das umgekehrte Problem. Ich hab zuviele Haare und zwar im Gesicht. Durch die Antiöstrogentabletten hab ich nun einen zarten Flaum. Aber alle diese Probleme sind reine Äußerlichkeiten, die vergehen. Meine Chemogeschädigten, verfärbten Fingernägel sind zum Beispiel auch wieder nachgewachsen. Immer diese kosmetischen Probleme bei Krebs. 😉

Meistens kommt es anders als man denkt – wieder ein OP

Eigentlich bin ich am 20. November 2001 zur Chemo ins Krankenhaus eingerückt. Vor einer Woche hatte ich während meines 1. Krankenhausaufenthalts ja schon meine Chemoaufklärung bekommen. Ich hatte auch Gelegenheit meine Fragen loszuwerden. (Wie lange dauert das? Krieg ich Beruhigungsmittel währenddessen? Darf ich normal essen und trinken? Welche Nebenwirkungen gibt’s da? Warum immer 3 Wochen warten zwischen den Gaben? Geht das nicht schneller oder kann ich ne höhere Dosis vertragen?)
Also brachte mich mein Mann an diesem Tag ins Krankenhaus. Er sollte mich Nachmittag wieder abholen können. Wie es mir zur Gewohnheit geworden war, habe ich bei der Visite Striptease gemacht und meine frische Narbe hergezeigt. Und damit fing der Zinnober an. Die Wundheilungsstörung mit den Pflasterblasen war noch nicht richtig ausgeheilt. Die Assistenzärztin drückte etwas an der Narbe herum und schon schob sich ein Unterfaden, der sich eigentlich auflösen sollte durch die Haut. Nachdem 2 Assistenzärzte und ein Chefarzt einen Blick daraufgeworfen hatten, hieß es: Haben Sie heute noch was vor? Wir müssen eh noch mal operieren wegen des Sicherheitssaums. Bleiben Sie doch gleich da. Auf so eine Wunde können wir keine Chemo geben.

Ich wusste, dass nach der 1. Operation der Pathologe festgestellt hatte, dass der Sicherheitssaum an gutem Gewebe nicht groß genug war. Es fehlten an einer Seite lächerliche 2 mm. Eine 2. Operation war schon beschlossen – aber eigentlich erst nach der Chemo. Das kam sehr plötzlich. Und so lag ich nachmittags wieder auf dem OP-Tisch.
Einen netten Anästhesisten hatte ich diesmal. Wir haben uns (im Spaß) erstmal gestritten. Sein Vorschlag war Roberto Blanco als Einschlafmusik bei der Narkose. Mein Gegenvorschlag war Metallica. Aber er hatte die besseren Argumente. Er meinte: Mit Heavy Metal kann ich nicht arbeiten! ?  Wir haben uns dann auf instrumentale iberische Klänge geeinigt. Ich hatte keinerlei Angst vor dem Eingriff und war sehr schnell wieder fit. Bei dieser Operation fand man dann zum Glück einen „Satellitenkern“. Damit war mein Krebs aber auch als multizentrisch erkannt worden.

Durch eine Patientin im Nachbarbett konnte ich mir dann mal einen Chemotag live ansehen. Damit klärten sich auch meine technischen Fragen zum Ablauf des Ganzen.

Tolle Erfindung – der Port

Noch während dieses 2. Krankenhausaufenthalts habe ich dann darum gebeten mir einen Port einzusetzen. Durch meinen Freund Peer hatte ich schon den Tipp bekommen wie gut ihm das bekommen ist. Für diejenigen, die noch nicht wissen was das ist: Es ist ein kleines Implantat, welches unter dem Schlüsselbein unter die Haut eingesetzt wird. Es sieht in Form und Größe aus wie ein Stück Würfelzucker mit einem Schläuchchen dran. Das Schläuchchen wird dann bis kurz vor das Herz geschoben. Sinn und Zweck ist es die Chemomedikamente in eine möglichst große Vene zu bringen und sie rasch im Körper zu verteilen. Außerdem gibt es Leute mit „schlechten“ Armvenen.

Meine Hauptbeweggründe für einen Port waren folgende: Ich hatte schreckliche Angst eine Nekrose zu bekommen falls das Zellgift im Arm und nicht in der Vene landen würde. Ich hatte da mal sehr unappetitliche Bilder gesehen von abgestorbenem Gewebe. ? Bäh! Und als 2. wollte ich nicht so im Bett fixiert werden über Stunden. Mehrere Stunden den Arm ruhig halten und immer Angst, dass die Nadel verrutscht… Nee.. das wollte ich nicht!

Der erste Versuch den Port zu setzen ging leider daneben. Und das hatte mehrere Gründe. Erstens streitet man sich nicht im OP mit seiner Anästhesistin. Als ich auf dem OP-Tisch saß, wollte sie mir die Blutdruckmanschette auf der operierten Seite um den Arm legen. Ich protestierte wie ich es eingebläut bekommen hatte: Kein Blutdruckmessen oder gar Blutabnehmen mehr am linken Arm. Die Gute blaffte mich dann an: Geben Sie den Arm her, sonst muss ich ne Verlängerung legen. Schnippisch keifte ich zurück: Das müssen Sie dann wohl! Und rückte meinen Arm nicht raus. Sie rauschte ab in einen anderen OP um zu fragen, was Sie denn nun tun sollte. Wortlos kam sie zurück und legte eine Verlängerung. Damit nicht genug rammte sie mir eine Braunüle so unglücklich in die Hand, dass ich nur Schmerzen damit hatte. Ich merke sofort, dass das nicht geht und bestand darauf, dass Sie die Braunüle sofort wieder rausnehmen sollte. Ihr Kommentar war etwa so: Ich probier es jetzt erstmal in der Armbeuge und mache die andere später raus. Das gibt sonst zuviel Blut auf den Boden. Wer soll denn hier wischen? Zu meinem Glück kam mir dann die OP-Schwester zu Hilfe. Sie hat dann sofort die schmerzende Braunüle wieder gezogen. An der „einfachen“ Armbeuge schaffte die Anästhesistin es dann auch. Ich glaube sie war heilfroh als ich schlief. Ihr Job ist es bei dieser Operation gewesen dem Operateur mittels Ableitung zu sagen wo sich die Metallspitze befindet…

Weitere Gründe die mir eine Entschuldigung des Chefarztes einbrachten: Er hätte bei mir weder die Brustmuskeln eines Mannes noch das Venensystem eines Kindes vermuten. Alles in allem: Dumm gelaufen… Mich tröstete auch nicht, dass in mehreren Jahrzehnten diese Operation nie schief ging. Eine weitere Erklärung warum diese Operation schief ging, ist vielleicht, dass sie erst um 17:00 Uhr begann. Ich war die letzte an diesem Tag auf dem OP-Plan.

Nach dem Eingriff wurde ich sofort zum Röntgen gebracht um zu kontrollieren wo die Spitze des Schlauches liegt. Ich war am Boden zerstört als ich hörte, dass sie falsch platziert war. Geistig war ich sehr schnell wieder fit, aber körperlich konnte ich mich vor Schmerzen kaum rühren. Der Drainageschlauch lag falsch! Er drückte bei der kleinsten Bewegung auf einen Nerv. Ich musste dringend zur Toilette, schaffte aber die 3 Meter zum Bad auf keinen Fall. Mit der Bettpfanne kam ich gar nicht zu recht Zum Glück kam aber Schwester Aleyamma auf die Idee mit dem „Thrönchen“, dem fahrbaren Toilettenstuhl. Halleluja. ? Was Narkosen angeht, wusste man ja nun dass ich robust bin und nicht zum Erbrechen neige. Daher bekam ich um 21:00 Uhr ein sehr spätes Abendessen und endlich was zu Trinken! Der Versuch alles wieder grade zu biegen, war für den morgigen Tag angesetzt. Mit Kühlakkus, nem Sandsack auf der Schulter und Schmerzmitteln hab ich die Zeit bis dahin umgebracht. Erst um 17:30 Uhr am nächsten Tag kam ich wieder unters Messer. Meinen Mann hab ich fürchterlich erschreckt. Ich hab wie ein Häufchen Elend in meinem Bett gelegen und vor mich hingelitten. Wie ich später hörte, war die Stimmung unter den Schwestern an dem Tag auch sehr gedrückt. (Danke noch mal für die liebevolle Betreuung!)

Jetzt hab ich im 2. Anlauf meinen Port und will ihn nicht mehr missen. Ich hatte jede Menge Bewegungsfreiheit während der Chemo. Ich konnte mir auch mal den Infusomat samt Ständer schnappen und aufstehen. Das ist sehr praktisch, wenn man soviel trinkt wie ich. ? Im Alltag spüre ich den Port gar nicht. Außer wenn ich das Pech habe, dass unsere Katzen mich mit einem Turngerät verwechseln und über mich drüber rennen. Oder auf Konzerten und im Kino. Bei sehr tiefen Tönen vibriert er etwas mit und kitzelt.

Ich habe beschlossen den Port noch ein paar Jahre drinzulassen. Der Pflegeaufwand ist sehr gering. Alle paar Monate mit Heparin spülen lassen reicht. Hoffentlich brauche ich ihn nicht mehr…

Farbenfrohe Chemo – Überlebenstipps oder wie man die eigene Hochzeit in einen Therapieplan quetscht

Am dritten Tag nach dem Einsetzen des Ports hatte ich meine erste Chemo. Mulmig war mir schon an dem Tag. Zunächst bekam ich Epirubizin und Cyclophosphamid. Das Epirubizin ist hübsch kirschrot. Ich hab beim Anhängen öfters rumgeflachst, man solle mir ja nicht aus versehen Kirschsaft oder so was geben, ich würde nur mein Leckerchen akzeptieren. Bei der Gelegenheit hab ich mir dann immer das Etikett noch mal angeschaut, ob da auch ja mein Name und das richtige Datum draufstand. Ein bisschen misstrauisch war ich schon. 😉

Der Abschluss eines jeden Chemotages war übrigens gleich. Mein Mann und ich, manchmal auch Freunde und Familie gingen gemeinsam Essen. Hört sich für den einen oder anderen verrückt an, aber ich hatte keinerlei Probleme mit Übelkeit. Ich freute mich immer schon auf mein „Belohnungsessen“. Was sich auch sehr stark auf der Waage bemerkbar machte. Mein Appetit war riesig in der Zeit.

Durch den letzten Pathologiebericht wurde meine Therapie angepasst. Ich bekam meine Chemo nun in verkürztem Zyklus – alle 2 Wochen. Weil die 3. Woche, die Erholungswoche wegfiel, musste meinem Körper auf die Sprünge geholfen werden. Ich habe das Mittel Neupogen welches das Leukozytenwachstum irre ankurbelt, von 3. bis 10 Chemozyklustag genommen. Anfangs wurde es mir gespritzt, aber später hab ich das selber in die Hand genommen um nicht immer ins Krankenhaus oder zum Hausarzt zu müssen. Der Inhalt meines Kühlschranks war tageweise richtig wertvoll!
So als blutiger Chemoanfänger hatte ich anfangs Bammel mich in Menschenmassen zu begeben. Doch mein Körper reagierte so prima auf Neupogen. Leukowerte von 20.000 bis 35.000 waren damit normal.

Was mich mit meinem Krebs sehr wunderte war die Tatsache wie viel Normalität man doch mit dieser Krankheit entwickelt. Plötzlich redet man über Leukos, Eisenwert usw. als hätte man nie etwas anderes gemacht. Zweimal die Woche wurden diese Werte ja bestimmt.

Das war grade die Zeit von Harry Potter und Herr der Ringe im Kino. Bei dem ersten Film saß ich noch am Rand für den Fall, dass mir schlecht würde oder so. Beim zweiten saß ich in der Premiere um Null Uhr mittendrin bei meinen Freunden… Im weiteren Verlauf meiner Therapie merkte ich halt was ich mir zutrauen konnte. Da waren dann auch normales Leben mit Konzerten, Weihnachtsmärkte und Real life-Treffen unsere Onlinespielrunde drin. Zwar wurde ich schneller müde mehr aber auch nicht.

Und so kam es zur ersten Dezemberwoche. Einer der ereignisreichsten Wochen in meinem Leben. Donnerstagmorgen um 12 Uhr hab ich meinen Schatz geheiratet. Das war schon von langer Hand geplant und wir wollten es wegen dem dämlichen Krebs, der uns dazwischenkam nicht verschieben. Netterweise haben alle an einem Strang gezogen und das ermöglicht. So musste ich in der Woche „nur“ noch ein Hochzeitskleid kaufen, einen Kosmetikkurs für Krebskranke besuchen, die Fäden des Port OPs ziehen lassen, ein Knochensynthigramm machen lassen, Termine beim Haus- und Frauenarzt wahrnehmen, zweimal Blut fürs Blutbild spenden und einen Termin beim Friseur für die Hochsteckfrisur machen. Ach ja und natürlich heiraten und feiern.

In der Woche nach meiner Hochzeit war der nächste Chemotag angesetzt. Ich hatte am Vortag mal wieder das Internet durchstöbert und bin dabei auf „Horrormeldungen“ gestoßen. Es ging um Chemonebenwirkungen. Darüber wollte ich mich informieren. So weit, so gut. An diesem Nachmittag hatte ich aus heiterem Himmel Blutrotgefärbten Stuhlgang. Das sah sehr dramatisch aus. Ich war regelrecht in Panik und malte mir mit meinem frischen Internetwissen die schlimmsten Dinge aus. Sofort rief ich im Krankenhaus an und fragte was ich nur tun soll. Ich sollte sofort mit einer Stuhlprobe hinkommen. Das Problem war nur, ich war total aufgelöst und nicht in der Lage zu fahren. Und mein Mann hatte von unserem Lieblingsgriechen beim Essen holen diverse Uozos  spendiert bekommen. Ein guter Freund von uns war aber sofort zur Stelle und fuhr Michael und mich ins Krankenhaus. Kaum war ich in vertrauter Krankenhausumgebung beruhigte ich mich wieder. Das Weinen und die Panik hörten schlagartig auf als sich meine Ärztin und die Schwestern um mich kümmerten. Das Neuwerker Krankenhauspersonal ist spitze!  Zunächst wurde mal ein Test auf okkultes Blut in der Stuhlprobe gemacht. Außerdem wurde mir mal wieder Blut abgezapft. Etwa 20 Minuten später kam meine Ärztin mit ernstem Gesicht und den Werten in der Hand zu uns. Frau Josten, wir können leider gar nichts finden. Im selben Moment bin ich puterrot angelaufen, weil mir was einfiel. Ich musste beichten. Vormittags hatte ich eine Flasche Rote-Beete-Saft gekauft und schon einiges davon getrunken. War mir das peinlich, aber wir haben gut gelacht. Auch meine Ärztin! Ich hatte einen akuten Fall von Roter Beete. Ein gutes hatte es. Am nächsten Morgen zur Chemo brauchte ich nicht auf die Blutwerte warten, die waren ja schon am Vortag bestimmt worden. Und meine Ärzte im Krankenhaus ließen es sich nicht nehmen, mir diesen Vorfall in die Entlassungspapiere zu schreiben, so dass mein Haus- und mein Frauenarzt auch noch Spaß daran hatten…

Knochensynthigrafie und Kaufrausch

Für eine Knochensynthigrafie bekommt man ein radioaktives Präparat gespritzt, muss dann Unmengen trinken damit es schöne Bilder gibt. Das Mittel lagert sich dann an und in die Knochen und man strahlt von innen heraus. Nach 3 Stunden kommt man dann in die „Röhre“.

Diese wichtige Untersuchung hatte ich auch Anfang Dezember. Ich hatte mir nicht eingestanden was ich für eine Angst vor einem schlechten Ergebnis hatte. Zum Glück konnte man keinerlei Metastasen in den Knochen entdecken. Keine halbe Stunde nachdem ich das Ergebnis hatte, sind Michael und ich in die Stadt zum Einkaufen. Wir haben viel Geld für CDs, Spiele usw. ausgegeben. Eine seltsame Art den Stress abzubauen, aber eine sehr angenehme. Abends haben wir uns dann gegenseitig eingestanden, dass wir beide ziemlich Angst hatten vor Knochenmetastasen. Ich hatte mir zwar vorerzählt, wenn es denn sein sollte, müsste ich halt härter kämpfen, aber mir fiel ein ganzes Gebirge vom Herzen….

Urlaub im Center Parc – oder wie hitzebeständig ist ein Port

Zwischen den beiden großen Chemoblöcken EC und Taxotere haben mein Mann und ich uns ne Auszeit in einem Center Parc gegönnt. Wir sind für eine Wochenmitte mit einem befreundeten Pärchen dorthin gefahren. Es war auch so was wie ne Minihochzeitsreise. Im Vorfeld hatte ich im Krankenhaus gefragt, ob ein Port hitzebeständig und saunatauglich sei. Darauf wusste leider keiner ne Antwort. So beschloss ich es halt draufankommen zu lassen und es auszuprobieren. Ich hatte mich wegen des Lymphödemrisikos bei Peer informiert. Er ging trotz seines „Schweineschnitts“ (er nennt es selbst so, er hat einen Großteil der Lymphknoten einer Körperseite raus) munter in die Sauna. Er ist nur nicht mehr so forsch beim Abkühlen wie früher. Also beschloss ich auch meinen Körper zu fragen, ob ich noch Sauna vertrage oder nicht. Es klappt zum Glück noch.

Im Schwimmbad da hab ich was Nettes erlebt. Mich störte es weder zu Hause, bei Freunden oder dort mit meiner Glatze rumzulaufen. (Die Perücke ist aber im Winter draußen ein schöner Mützenersatz gewesen) Auf einmal begrüßt mich ein wildfremder Mann mit dem internationalen Glatzengruß. Dank Peer kannte ich den bereits. Also hämmerte ich mir die ausgestreckte, flache Hand auch mehrmals in schneller Folge auf den Kopf und grinste zurück.

In diesem Urlaub brach ich auch das mir selbst auferlegte strikte Alkoholverbot. Ich trank in diesen 5 Tagen 2 Gläser Rotwein und einen Bessengenever (Zielwasser fürs Bowlingspielen). Meine Güte hab ich das gut gemerkt!

Ich mutiere zum Giftzwerg – weitere Chemogeschichten

Die ersten vier Chemogaben mit EC hatte ich dann hinter mich gebracht und mein Mann nannte mich in der Zeit liebevoll mein Giftzwerg. Wir blödeln eigentlich immer viel rum. Das hat der Krebs nicht geändert. Auch die Fahrten ins Krankenhaus hatten einen speziellen Namen: Giftmülltransporte. 😉 Dieser Art von Humor hat mir auch in der bizarren Situation krebskrank zu sein viel Normalität vermittelt. Ich weiß aber auch, dass ich solche Witze nicht bei jedem anbringen kann. Es ist halt etwas Feingefühl gefragt. Eine Freundin von mir ist zu zart besaitet für diese Art mit der Krankheit umzugehen und das respektiere ich auch.

Als nächstes bekam ich Chemo mit einem Mittel namens Taxotere oder liebevoll Sauzeug genannt. Durch die ersten Zyklen mit EC kam ich ja super durch nur mit Müdigkeit und Glatze. Das sollte sich unter Taxotere ändern. Es hätte mich schon stutzig machen sollen, dass man sich im Krankenhaus noch mehr als sonst um mich kümmerte. Bevor der Beutel drangehängt wurde, sagte meine Ärztin noch: Falls irgendwas mal sein sollte… Sie können immer vorbei kommen. Wir haben immer ein Bett für sie frei.
Das kam mir schon merkwürdig vor. Aber als dann im 15 Minuten-Rhythmus sich die Schwestern die Klinke in die Hand gaben um nach mir zu sehen, wurde mir schon etwas mulmig. Außerdem waren sie ständig mit Puls- und Blutdruckmessen beschäftig oder sahen mit fadenscheinigen Erklärungen nach mir. Das wurde mir schnell sehr lästig, weil ich an meinen Chemotagen mich entspannte, d.h. mir Harry Potter von CD vorlesen ließ, Musik hörte, Comics und Bücher las – so Sachen halt. Als ich fragte was die ständigen Störungen den sollten, hieß es: Wir wollen nicht, dass sie einen anaphylaktischen Schock bekommen. Hab ich schon erwähnt, dass ich das Zeug auch liebevoll Sauzeug nenne?

Taxotere wurde früher aus der Rinde der kalifornischen Eibe gemacht. Mittlerweile gibt es das auch künstlich, glaub ich. Eines der beiden Zytostatika, das ich davor bekam das Cyclophosphamid ist ja ein „Kampfgasderivat“. (1. Weltkrieg, Lost) Ich hatte schnell ne Erklärung für mich warum ich Taxotere nicht so gut vertrug wie Epirubizin und Cyclophosphamid. Ich bin von Beruf chemisch-technische Assistentin. Da kann man mir nicht mit so einem natürlichen Gift aus Eiben kommen. 😉  (Nicht falsch verstehen, dass ist nur Spaß)

Um eventuelle allergische Reaktionen abzufedern, musste ich einen Tag vor der Chemo, am Chemotag und am Tag danach Kortison schlucken. (Anmerkung zum Kortison: Ich entwickelte einen richtigen Heißhunger dadurch. Außerdem schwoll mein rechter Fuß an. Immer mal wieder für ein paar Tage. Und für meine Leber war es auch nicht so toll.)

Es dauerte unter Taxotere dann vom Chemotag Donnerstag bis Sonntagabend bis ich was spürte. Wir saßen mit meinen Schwiegereltern gemütlich im Sausalitos unserem bevorzugten Mexikaner zum Gambas essen. Und da begannen die Knochenschmerzen. Sonntag auf Rosenmontag und Montag auf Veilchendienstag hab ich fast kein Auge zugemacht. Ich hab nur vor mich hingelitten und geächzt und gestöhnt. Ich konnte kaum richtig laufen und schlich nur mit Schmerzen durch die Wohnung. Aschermittwoch hatte ich die Schnauze gestrichen voll. Ich konnte nicht mehr. Da hab ich dann auch eingesehen, dass ich nicht alles ertragen muss sondern ließ mir helfen. Meine Ärztin im Krankenhaus riet mir als ich sie anrief zu Tramaltropfen. Daraufhin rief ich meinen Hausarzt an, dass er mir das verschreiben soll. Keine Stunde später hatte mein Mann mir das Mittel geholt. Vorsichtig und mit großem Respekt davor (Suchtgefahr!) nahm ich die kleinste angegebene Dosis. Ich hatte sage und schreibe 22 Stunden Ruhe und das glücklichste Lächeln im Gesicht. Mein Gesichtsfeld engte sich zu einer Art „Tunnelblick“ ein. Aber es reichte um zur Ablenkung stundenlang Spidersolitär zu spielen. Der Schmerz war zwar noch da, ganz weit hinten, aber ich spürte ihn nicht. Nun wusste ich was meine Ärzte erwartet hatten. Eigentlich sollten die Knochenschmerzen bei jeder Taxoteregabe schlimmer werden. Zu meiner Freude und dem Erstaunen meiner Ärzte wurde es jedes Mal weniger schlimm. Das kann daran liegen, dass ich mich daraufeingestellt hatte. Ich konnte fast die Uhr danach stellen. Immer von Sonntags nach der Chemo bis zum darauf folgenden Mittwoch hatte ich Schmerzen. Und wenn man das weiß, kann man das einplanen. Ich hab mir auch in der Zeit was für Körper und Seele gegönnt. Zum Beispiel ein Besuch im Mediterana (das ist Schleichwerbung für eine wunderschöne Saunalandschaft in Bergisch Gladbach, nix für alle Tage, weil sehr teuer, aber für besondere Tage!)

Insgesamt habe ich während der Taxotere-Chemo dreimal Tramaltropfen genommen. Und im Nachhinein betrachtet war auch dieser Chemoteil nicht allzu schlimm.

Da fällt mir noch was Witziges aus der Zeit ein. Ich bin zu einem Blutabnahmetermin ins Krankenhaus gefahren und trug einen schneeweißen Wollponcho. Eines meiner langen, dunklen Perückenhaare hatte sich gelöst und lag prominent darauf. Ich zupfte es demonstrativ ab und hielt es anklagend meiner Ärztin unter die Nase. „Jetzt reicht es! Eure Chemo ist so hart, dass mir jetzt auch noch die Perückenhaare ausfallen!“

Im ersten Moment war meine Ärztin richtig geschockt und fing gleich an zu erklären, dass das nicht sein könne, bis sie mein grinsendes Gesicht sah.

Ran an den Speck, die Ablatio

Mitte März hatte ich dann die letzte Chemogabe. Wegen der Bösartigkeit und dem Streuen des Krebses in meiner Brust riet man mir zur einseitigen Abnahme (Ablatio) der Brust. Ich stehe auch heute noch zu meiner Entscheidung es machen zu lassen. Ich empfand auch während der vorangegangenen Therapie den Gedanken an befallenes, krankes Gewebe in meinem Körper als eklig.

So ist meine linke Brust jetzt weg und ich bin noch da!!!

Meinen OP-Termin habe ich schon 2 Wochen nach der letzten Chemo haben wollen. Man riet mir eigentlich zu einer 3-4 wöchigen Erholungspause. Aber als American Footballfan wollte ich so wenig wie möglich von meiner Rhein Fire Dauerkarte verschenken. Als ich mit diesem Argument mein Bett im Krankenhaus bestellte hat man zwar geschmunzelt aber man kannte mich ja schon zur Genüge. Dann wurde am OP- und Belegungsplan solange rumgebastelt bis  ich meinen Willen bekam.

Am Tag vor der Ablatio musste ich zum Oberarzt zu einer letzten Untersuchung und um die Operation zu besprechen. Diesen Mann hatte ich in den vergangenen Monaten nur mit einem jungenhaften Grinsen im Gesicht gesehen. Wenn man ihn im Gang vorbeieilen sah, winkte er immer fröhlich und schien keine schlechte Laune zu kennen.

Nachmittags gab es im Neuwerker Krankenhaus immer Kaffee oder heißes Wasser für Tee in Samowaren zum selberzapfen. Die dazugehörigen Tassen waren meiner Meinung nach einfach zu klein und man musste ständig für Nachschub laufen. Obwohl ich das Gefühl hatte fast zum Inventar zu gehören wollte ich nicht ungefragt an die Schränke im Schwesternzimmer gehen. Ich wusste, dass es da kleine Teekannen gab. Mir machte es nichts aus den Oberarzt auf dem Gang abzupassen und an meiner Stelle ins Schwesternzimmer zu schicken. Und ihm machte es auch nix.

Als ich nun zu dieser Untersuchung musste, habe ich den Oberarzt zum ersten Mal mit einem ernsten Gesicht gesehen. Er fragte mich, ob ich genau wisse was für eine Operation das morgen wäre? Das mir morgen die Brust abgenommen würde.
Ich antwortete, dass ich genau deswegen hier bin. Er nickte nur und dann war auch das Lächeln wieder da. Er war bei dieser Operation mein Operateur (ich frage so was immer und lese den Operationsbericht im Nachhinein). Ich hab ihn kurz nach der OP auch gleich gelobt. Im Gegensatz zu einer anderen Patientin (anderer Operateur) hatte ich eine „prima“ Narbe und keinen einzigen blauen Fleck. Falls der Eindruck entstanden sein sollte. Ich bin normale Kassenpatientin und keine Privatpatientin! Ich hatte verdammt viel Glück.

Vor dieser Operation war ich sehr nervös und hatte einen wahnsinnig hohen Blutdruck. Es ging ja auch um was Endgültiges. Im Aufwachraum hab ich als erstes Mal den Verband befühlt. Ich war sehr froh dieses Mal aus dem Aufwachraum rauszukommen. Lauter Rundballfanatiker waren um mich herum. Mich interessierte nicht die Bohne wie Schalke spielt…

Nun war es passiert. Ich hatte auf die schnellste Art abgenommen. 😉 Weiter ging es in meiner Behandlung noch im Krankenhaus mit neuen Untersuchungen. Der CT-Befund war prima. Der vergrößerte Lymphknoten am Hals schien sich in Luft aufgelöst zu haben. Meine Chemo hatte wohl durchschlagenden Erfolg. Auch der Pathologiebericht der abgenommenen Brust war in Ordnung. Ich war wieder einen Riesenschritt weiter. Noch in der Klinik bekam ich Besuch von einer Außendienstlerin eines Sanitätshauses. Ich sollte nicht entlassen werden ohne eine Erstversorgungsprothese. Das ist ein besseres Wattebäuschchen. Erst später nach der Bestrahlung gab es was „vernünftiges“.

Ich hatte mir keine bewussten Gedanken gemacht was mein Mann von der ganzen Sache halten würde. Ich kam einfach nach hause und machte es mir bequem. Dabei merkte ich, dass er mich beobachtete. Er meinte, er hätte mich nie gefragt, ob er mal schauen dürfte… Wir haben uns die Narbe dann eben zusammen angesehen und sind zum Alltag übergegangen. Was anfangs mal ein Problem war, ist die Tatsache, dass Michael Angst hatte mir wehzutun. Aber ich bin ja nicht aus Zucker.

Der wahre Horror beginnt: Bestrahlung für ein strahlendes Lächeln, auch wenn man heulen will

Leider konnte ich im Neuwerker Krankenhaus nicht bestrahlt werden. Dafür habe ich die nächste Strahlenklinik, die als erstes Termine frei hatte, genommen. Es fing zunächst harmlos an, doch es sollte der Teil meiner Gesundung werden, der am schwersten war. Michael und ich fuhren also Mitte April zur Vorbesprechung der Bestrahlung. Wir hatten im Vorzimmer des Chefarztes gewartet und unsere Wartezeit mit einem lebhaften, lustigen Gespräch überbrückt. Vielleicht fiel mir deshalb sofort das gestresste Gesicht des Chefarztes auf.

Es passte so gar nicht zur fröhlichen Stimmung von mir und meinem Mann. Sofort hasste ich den Hundeblick mit dem der Chefarzt mich anschaute. Der eigentlich harmlose Satz: Wie geht es ihnen denn so? brachte mich innerlich schon auf hundertachtzig. Es war der mitleidige Tonfall, der mich so ärgerte. Ich antwortete erst gar nicht und schaute demonstrativ über seine Schulter zu den Blumenmassen im Innenhof. Ich riss mich dann zusammen und antwortete: Ach, bei so einem schönen Wetter kann es mir gar nicht schlecht gehen. Zwischen uns auf seinem Schreibtisch lag der Entlassungsbericht des Neuwerker Krankenhauses. Was darin stand kannte ich schon. Gleichlautende Briefe hatten auch mein Hausarzt und mein Frauenarzt bekommen. Der Chefarzt blätterte kurz darin herum und begann sein Programm herunter zu spulen. Man hätte mir bestimmt in Neuwerk bereits gesagt wie wichtig eine Strahlentherapie sei bei einer brusterhaltenden Operation … An dieser Stelle hob ich kurz die Hand und wollte was sagen. Er fing aber gleich wieder an: Also bei einer Brusterhaltung…. Auch hier versuchte ich mich mit einem Aber… bemerkbar zu machen. Er hielt kurz inne in seinem Redefluss und schon ging es ohne eine Chance für mich dazwischen zu kommen weiter: Lassen Sie mich doch mal ausreden, Fr. Josten. Die Brusterhaltung als….

Das war der Tropfen der das Fass zum überlaufen brachte. Ich ballte die Faust, knallte sie mit aller Wucht auf seinen Schreibtisch und brüllte: ICH HATTE NE ABLATIO. DA IST NIX MEHR ZUM BESTRAHLEN, VERDAMMT! Da hatte ich wohl zum ersten Mal seit ich sein Büro betrat seine volle und ungeteilte Aufmerksamkeit. Mein Mann im Stuhl neben mir musste an sich halten um nicht laut loszulachen. Mein Gegenüber fing an zu stottern und in seinen Unterlagen zu wühlen. Die letzte Operation, die Ablatio war nicht in der Auflistung auf der ersten Seite erschienen, sondern wurde erst ab Seite 4 ausführlich beschrieben. Ich nahm dem Chefarzt die Papiere aus den Fingern mit den Worten: Wenn sie denselben Brief wie mein Frauenarzt bekommen haben, finden sie die Informationen hier. Nachdem er sich dann auf den neuesten Stand gebracht hatte, konnte das Gespräch endlich beginnen. Wir hatten dann eine Basis und es wurde doch noch ein gutes Gespräch. Er bemühte sich dann richtig alle meine Fragen zu beantworten.

Ich sollte nicht nur an der Brust und unter der Achsel bestrahlt werden, sondern auch am Hals. Dafür bekam ich eine Maske angepasst. In einem Wasserbad wurde dafür ein blaues „Netz“ angewärmt und dann mir auf Hals und Dekolltee gelegt. Ich kam mir vor wie im Schönheitssalon. Innerhalb einer Minute war das Netz getrocknet und steinhart. An den Seiten dieser Maske waren Vorrichtungen, mit denen man meinen Kopf am Behandlungstisch festklipsen konnte.

Die ersten vier Bestrahlungen hab ich tapfer „ertragen“. Jedes mal bin ich vom Bestrahlungstisch geklettert mit Tränen in den Augen oder habe sogar geheult wie ein Schlosshund. Trotzdem hab ich noch Witze gerissen wie: Nach der Hälfte der Bestrahlungen müsst ihr meine Maske erst mal ausklopfen – wegen der Salzkruste!

Ich war bei meinen Krankenhausaufenthalten ab und zu richtig neidisch auf einige Mitpatientinnen geworden. Die konnten sich “entspannt“ zurücklehnen und ließen sich einfach gesund machen. Jetzt hatte ich meinen Willen, musste mich zum Bestrahlen nur noch zurücklehnen und auch „einfach“ gesund machen lassen. Nur damit kam ich überhaupt nicht klar. Ich wollte doch was tun. Ich hatte furchtbare Angst vor jeder Bestrahlung. Nach der 5. Sitzung hatte ich die Schnauze so voll, dass ich mit der für mich zuständigen Ärztin sprechen wollte. Ich war drauf und dran die Behandlung abzubrechen. Sie fragte mich aus wovor ich denn so eine Angst hätte. Und das war einiges: Ich hatte abends um 22:20 meine Bestrahlungen. Ich befürchtete immer, dass das Personal schon halb im Feierabend ist statt mit den Gedanken noch bei der Arbeit. Wie schnell könnte man da einen falschen Knopf drücken. Außerdem hatte ich Angst vor dem Gerät an sich. Was, wenn es falsch eingestellt oder falsch gewartet wurde? Und meine schlimmste Furcht war, dass ich es mit den Bestrahlungen vielleicht noch schlimmer machte als es schon war. Ich hatte kein Zutrauen mehr zu meinem Körper und bezweifelte ob ich ihm die Bestrahlungen zutrauen konnte.

Meine Ärztin machte das einzig richtige. Sie gab mir ne Technikführung – quasi ein Blick hinter die Kulissen. Es beruhigte mich ungemein, dass man den Computer mit Passworteingabe und diversen Tricks dazubringen musste meine Bestrahlungsdaten noch mal anzuzeigen. Der sture Computer wusste genau, dass ich heute schon dran war! Man erklärte mir ganz genau warum man so schnell nicht auf den falschen Knopf drücken könnte. Außerdem erzählte meine Ärztin mir von ihrem beklemmenden Gefühl, als sie mal aus Versehen während einer Bestrahlung mit im Raum eingeschlossen wurde. Sie hätte zwar vom Kopf her gewusst, dass ihr nichts passieren konnte, aber das Summen der Elektromotoren kam ihr auch nur bedrohlich vor. Auch meine anderen Ängste und Befürchtungen konnte sie ausräumen und so wurde es ab diesem Tag immer einfacher für mich. Ich stellte mir während der Bestrahlung dann vor über mir wäre eine große warme Sonne, die meine Krebszellen schmelzen würde. Und plötzlich ging es. Die Angst war weg!

Das bekamen dann die Röntgenassistenten auch schnell zu spüren. 😉 Ich hatte es mir an einem Abend schon auf dem Tisch bequem gemacht und beobachtete amüsiert die wilde Suche nach meiner Maske. Zu zweit standen sie vor einem riesigen Regal mit blauen Masken. Mein hilfreicher grinsender Kommentar „ Wenn es hilft…Es ist ne blaue…“ zeigte mir eines – mein Humor war wieder da.

Reha oder Wellness?

Ich kann jedem nur empfehlen nach den ganzen Therapieteilen eine Anschlussheilbehandlung zu machen. Ich war dafür in Bad Oexen in der Nähe von Bad Oeynhausen. Dort wurde eine „Junge Erwachsenen Rehabilitation“ angeboten. Dies ist ein  gedehnter Begriff, denn zu den jungen Erwachsenen zählt man bis 40.

Mir kam der Aufenthalt zum Teil wie Wellness vor. Besonders gut gefiel mir das „Narbenstreicheln“. Eine sanfte Narbenbehandlung schon vor dem Frühstück ist einfach eine geniale Art in den Tag zu starten. Langweilig wurde es in Bad Oexen nie.
Mir wurde in der Reha aber auch eines vor Augen geführt. Mein Körper hat unter der Behandlung auch gelitten. Meine Merkfähigkeit, Aufmerksamkeit und Konzentration sind lange nicht mehr so gut wie früher. Auch muss ich nun Abspecken und etwas an meiner Kondition tun.

Und wie war`s? Hat mir der Brustkrebs was gebracht?

Ja – auf alle Fälle. Ich hab nette Ersatzteile (Brustprothese) und mit der Perücke habe ich längere Haare als je zuvor. Badeanzüge und BHs suche ich mir nun per Katalog aus und die Krankenkasse zahlt netterweise.

Davon mal abgesehen bin ich durch meine Erkrankung und die Erfahrungen damit viel selbstbewusster geworden. Mein Mann meint ich sei erwachsener geworden. Das ist sein Eindruck. Und der könnte stimmen. Ich fühle mich nicht groß anders als früher. Mir fällt aber auf, dass ich viel geduldiger geworden bin – mit mir und mit meinen Lebensumständen. Ich bin auch nicht mehr so hektisch und gestresst. Hoffentlich kann ich mir das auch weiter erhalten.

Einen großen Unterschied gibt es zu früher vor dem Krebs. Ich habe nun einen aggressiveren Umgang mit meinen Mitmenschen. Mit wem ich nichts zu tun haben möchte, hat halt Pech gehabt. Ich mache im Gegensatz zu früher weniger Kompromisse.

Lebbe geed weida…

Ende September hatte ich nun meinen ersten Nachsorgetermin. Es war alles in Ordnung. Ich bin nicht so blauäugig um nicht zu wissen, dass ich nicht auch einen Rückfall erleiden könnte. Aber ich richte mein Leben nicht danach aus!

Im November ist es mit meiner Wiedereingliederung soweit. Mein Kurarzt gab meinem Hausarzt die Empfehlung ich solle mit 3 Stunden täglich wieder anfangen zu arbeiten. Vor dieser Wiedereingliederung nach dem Hamburger Modell hab ich etwas Bammel. Ich muss erstmal ausprobieren wie ich im Betrieb wieder so zu Recht komme. Aber da ich in dieser „Probephase“ weiter krankgeschrieben bin kann nicht soviel passieren.

Der November wird auch sonst ein sehr interessanter Monat. Ab dann geht der Umzug in unsere neue Eigentumswohnung in die heiße Phase.
Ich glaube daran sieht man, dass meinem Mann und mir mein Krebs in unserer Lebensplanung nur dazwischen gekommen ist. Unser Leben geht weiter!!!

In diesem Sinne,
Eure Rosi

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