Wenn es Dich interessiert
Jetzt zum Ende des Jahres 2022 wollten zwei ehemalige Mitschüler aus meiner gymnasialen Schulzeit und ich zusammen essen gehen, hatten aber seit längerer Zeit nichts mehr voneinander gehört, bis einer uns anschrieb:
»… Ansonsten wollte ich wissen, ob’s euch gut geht, und euch ’ne gute Zeit für den Rest des Dezembers mit all seinen magischen Tagen wünschen – trotz vielerlei Scheiß um uns herum… Mir geht’s „soweit ganz gut“ und ich schlage mal vor, dass wir uns im nächsten Jahr zu ’nem ernährungsphysiologisch vertretbaren Essen treffen. Ob das geht? …«
Meine Antwort an beide:
Ich würde mich freuen, wenn solch ein Treffen im nächsten Jahr klappt!
Mir geht es an sich in diesen magischen Tagen auch ganz gut, zumal ich in den letzten Monaten ganz bewusst kräftig, aber noch nicht genug (BMI noch leicht im Übergewicht) abgenommen habe und täglich meine 10 bis 12 km mit unserem Hund „wandere“.
Aber dann kam vor knapp 14 Tagen etwas von dem vielerlei Scheiß auf mich zu, so dass ich meine ganze Jahresend-Planung total umgestalten musste.
Obwohl seit fast 10 Jahren in Pension nehme ich am 20.12.22 erstmal meinen Winter-, Weihnachts- und Jahresurlaub in einem zusammen:
Dann ist erst einmal Schlafen angesagt, ausgiebiges Schlafen!
Für längere Zeit werde ich ein Zimmer im Krankenhaus beziehen.
Am 21.12.22 beginnt dann direkt nach einem hoffentlich unaufgeregten Nachtschlaf schon in den Morgenstunden – natürlich nüchtern – ein langer, mit legalen Drogen herbeigeführter, 8-bis-10-stündiger Tagschlaf im OP:
Wenn dieser Rausch erfolgreich überstanden ist, geht es dann alsbald auf der Intensivstation wieder in den hoffentlich erholsamen Nachtschlaf … und wenn ich dort am 22.12.22, kurz vor Heilig Abend aufwache …
… dann schauen wir mal weiter …
… dann hänge ich an vielen Schläuchen, einer Magensonde, einem Blasenkatheter, zwei Schmerzkathetern im Hals und Rücken, und noch einigen Schläuchen im Bauch …
Sicherlich wird nicht alles so problem- und schmerzfrei vonstatten gehen, doch es wird … , denke ich.
Dann habe ich den ersten und größten Teil der Reise schon mal hinter mich gebracht und es darf weihnachten …
Seit meiner ersten Erfahrung mit dieser heimtückischen Krankheit vor mehr als 16 Jahren im April 2006 wusste und weiß ich, dass Krebs eine Perversion eigener Körperzellen ist. Einmal ausgebrochen muss man damit rechnen, dass er immer wieder zuschlagen kann.
Ich war also diesmal vorbereitet.
Andererseits war mein Immunsystem zumindest schon damals aufmerksam und stark genug, mich vor weiterer Streuung zu warnen. Mehr noch: Es verhalf mir zu langjähriger Heilung. Trotz der damaligen nur 5%-Überlebensprognose innerhalb von 6 bis maximal 12 Monaten aufgrund von Metastasen dieses aggressiven Merkelzellkrebs konnte ich noch 16 lange und schöne Jahre mit meiner neuen und großen Liebe einigermaßen beschwerdefrei leben!
Dafür bin ich sehr dankbar, möchte keinen Tag missen, habe jeden Tag genossen …
So ein Glück hat man nicht zweimal, habe ich mir all die Jahre gesagt.
Heute dagegen sage ich:
Warum eigentlich nicht zweimal?!
Denn ein anderer Krebs hat bei mir nun an anderer Stelle in voller Wucht zugeschlagen.
Zwar liegen die Prognosen auch bei Gallen-, Leber- und Bauchspeicheldrüsenkrebs bei nur 5 % (allerdings auf 5 Jahre bezogen), aber wiederum hat mein Immunsystem rechtzeitig vor dem Streuen Warnsignale ausgesandt, so dass ich hoffen darf, dass nach erfolgreicher mehrstündiger Radikaloperation der Tumor mit all seinen an den Organen heftenden Krebszellen vorerst beseitigt wird.
Entnommen werden die Gallenblase, die Milz, Teile des Pankreas, der Leber, das untere Drittel des Magens und circs 30 cm Dünndarm. Alle Verbindungen der Organe zueinander werden danach neu fabriziert: Eine sehr diffizile und aufwändige Operation.
Und wenn ich dann aber wiederum 16 Jahre lang ohne Krebs einigermaßen beschwerdefrei leben darf und kann, bin ich mir sicher, dass ich auch mit 88 Jahren alle weiteren Angriffe auf meinen Körper abwehre, zumindest nicht an Krebs sterbe (wie meine Eltern, die trotz Krebs aber nicht an Krebs mit 96 und 98 Jahren gestorben sind).
Schon damals bei meiner ersten Krebsbegegnung im Jahre 2006 habe ich dankbar auf 56 Lebensjahre und davon 4 glückliche Jahre mit meiner damaligen Lebensgefährtin und heutigen Ehefrau zurückgeschaut und mir gesagt: Mein Leben hat sich schon bis heute gelohnt! – Das hat mich ja auch beflügelt und mir Mut gemacht, sie 3 Wochen nach meinem Krebsbefund zu heiraten.
Heute schaue ich dagegen auf mehr als 72 Jahre, davon die letzten 16 (und diesmal sogar glücklich verheirateten) Jahre noch dankbarer zurück.
Ihr seht, bis heute bin ich schon reichlich beschenkt worden. – Mein Weihnachtsgeschenk habe ich also schon erhalten!
Und alle Jahre wieder kann und wird ein Weihnachtsmärchen wahr werden, wenn ich im nächsten Jahr nach 14 bis 18 Tagen heil aus meinem Krankenhausurlaub zurückkomme und mir noch einmal 16 oder diesmal noch mehr glückliche Jahre in Aussicht gestellt werden:
Man (Ihr und ich) muss nur dran glauben!
In diesem Sinne wünsche ich Euch ein schönes Weihnachten, Euch und mir einen guten und lebendigen Übergang ins neue Jahr und weiterhin eine gute Zeit, die mir – und denkt mal drüber nach: Vielleicht auch Euch – bis heute ja schon vergönnt war!
Dann treffe ich mich gerne mit Euch vor oder nach meiner Anschlussheilbehandlung im Januar bzw. Februar.
Im anderen Falle gilt:
Weine nicht,
Mark Twain
weil es vorbei ist,
sondern lache,
weil es so schön war.
… zumindest für die Überlebenden!
Und glaubt mir, selbst für den Nicht-Überlebenden gibt es Hoffnung, eine Sehnsucht erfüllt zu bekommen: den Zauber und die Magie der ewigen Ruhe, des ewigen Friedens und vor allem des ewigen Schlafs.
Aber soweit ist es ja noch nicht. Noch bin ich da und habe vor, meine Winterreise über Weihnachten und den Jahreswechsel nicht nur hoffnungsvoll anzutreten, sondern auch aus der Narkose aufzuwachen und alles gut zu überstehen.
In diesem Sinne,
genießt und glaubt an den Winter-, Weihnachts- und Jahreswechselzauber … der, wie Ihr jetzt seht, in jedem Fall eintritt!
Gruß, Stephan
And now, the end is near
and so I face the final curtain.
My friend, I’ll say it clear,
I’ll state my case, of which I’m certain.I’ve lived a life that’s full,
Frank Sinatra
I’ve traveled each and every highway
and more, much more than this:
I DID IT MY WAY
Aber über allem stehen und gelten meine beiden an meine Frau gerichteten Strophen: Die zweite 2002, kurz nach unserem Kennenlernen. Die erste wurde nach Kenntnis meines ersten Krebsbefalls 2006 vorangestellt, denn der Krebs sollte und kann unsere schöne Beziehung nicht zerstören:
Sieh und akzeptiere die Welt
in ihren unterschiedlichsten Farben,
bereichere sie mit der ganzen Schönheit
Deiner einzigartigen Seele, Gefühle und Gedanken.Lass die Sonne in Dir scheinen,
Stephan Wolters
sieh die Welt in den Farben Deiner Träume,
erhelle sie mit dem Licht Deiner positiven Gedanken
und gib ihr die Wärme Deines Herzens.
Der Vollständigkeit halber sei angefügt (Stand: 14.08.2023):
Bei der Operation am 21.12.22 wurde mir aufgrund des äußerst schlechten Befundes meiner Bauchspeicheldrüse diese ganz entfernt, so dass ich ab diesem Zeitpunkt zu dem etwas seltenen Diabetiker Typ 3c gehöre … und aus dem angekündigten 1 Tag auf der Intensivstation wurden 3, weil man gefährliche Entzündungsherde in der operierten Bauchgegend anfangs nicht unter Kontrolle bekam.
Die Intensivstation ist natürlich alles andere als erholsam und vor lauter Lärm der ganzen Apparaturen an einen erholsamen Schlaf kaum zu denken. So war ich heil froh, endlich in ein normales Krankenhausbett wechseln zu dürfen, um schlafen zu können!
Nach 20 Tagen durfte ich das Krankenhaus endlich verlassen … schlanker (und bis heute im BMI-Normalbereich), aber plötzlich um mindestens 10 Jahre gealtert, gefühlt um mehr als 20 Jahre! – Und das ist bis heute so geblieben … hat sich eher noch verstärkt!
Aber ich lebe!
Wie schon 2006 habe ich auch diesmal nach eingehender Überlegung und Recherche für mich entschieden, eine mir dringendst angeratene Chemotherapie abzulehnen.
Ende Januar 2023 ging es für erstmal 3, dann verlängert auf 5 Wochen in die Anschlussheilbehandlung nach Bad Driburg. Dort bin ich am 3. Tag wohl wegen völliger Dehydrierung nachts beim Toilettengang ohnmächtig zusammengebrochen und musste, auch wegen des Blutverlustes und zur Überprüfung von evtl. Knochenbrüchen und des Zustandes des operierten Bauchraumes für 3 Tage ins dortige Krankenhaus. Aber alles war im grünen Bereich …
Nach zweieinhalb Wochen war ich den Umständen entsprechend schon ganz schön fit: Tagesleistung in Etappen zusammen 12 km Wanderung! – Dann ereilte mich Corona mit fürchterlichen Gliederschmerzen und -zuckungen, weshalb ich die Klinik in Bad Driburg verlassen musste.
4 Wochen später habe ich meine Anschlussheilbehandlung wieder aufgenommen, aber meine Fitness von vor Corona bis heute nicht mehr erreicht. – Vielleicht hatte ich meinem Körper nach solch einer schweren Operation aber auch zu früh zu viel zugemutet?!
Wegen anhaltender Übelkeit und ständigen Brechreizes seit meiner Operation Ende Dezember 2022 wurde im Mai 2023 stationär eine Magenspiegelung und ein CT erstellt, aber die Ursache nicht gefunden.
Einen Monat später musste ich wiederum das Krankenhaus für 3 Tage aufsuchen, da ich nüchtern morgens Blut erbrach. Auch hier konnte die eigentliche Ursache nicht gefunden werden.
… wie geht es mir derzeit, 8 Monaten nach Krebsbefund und Operation?!
Im Gegensatz zu 2006 ist juristisch und familiär fast alles geregelt, alle meine zu mir stehenden engsten Familienmitglieder sind versorgt. – Das ist beruhigend!
Allerdings hängen meine Psyche und mein Geist nicht mehr so sehr am Leben, dessen Qualität seit der letzten Totaloperation ganz erheblich eingeschränkt ist.
Außerdem möchte ich keinem zur Last fallen, am wenigsten mir selber: Körperliche Anstrengungen und Arbeiten sind leider auf ein Minimum beschränkt. Essen und Trinken fällt mir immer noch (teilweise sehr) schwer wie vieles andere auch. Dafür schlafe ich viel, habe aber auch das Gefühl, dass mein Körper immer noch gehörig Schlaf und Ruhe zur Regeneration nach solch einer Totaloperation, Ohnmacht, Sturz, körperlicher Überforderung und Corona benötigt.
Absoluter Frieden, immer währender Schlaf und ewige Ruhe sind aber aber derzeit erstrebenswerter geworden:
Wenn die Kraft zu Ende geht, ist Erlösung Gnade!
Nicht zu vergessen sind die Angehörigen (und hier besonders meine Ehefrau!), die, ob sie wollen oder nicht, letztendlich mitleiden und leiden müssen für die Folgen meiner Operation …
Dagegen spricht aber mein unbändig um seinen Lebenserhalt kämpfender Körper: Eine ausgesprochen erstaunliche, bisher niemals aufgebende Kämpfernatur!
Zugleich gibt es erste Anzeichen marginaler Verbesserung körperlichen Wohlbefindens.
Die Zeit wird’s zeigen und richten, wer die Oberhand behält:
Körper oder Geist …
…
Wen es interessiert, wird demnächst hier an dieser Stelle weitere Zustandsberichte von mir finden, und wenn nicht, ja dann … schlafe ich in der von mir angenommenen ewigen Ruhe bzw im immerwährenden Frieden …
Meinen Beitrag »Brief an einen Freund« aus dem Jahre 2006 nach meinem ersten Krebsbefund (Metastasen des Merkelzellkarzinoms) findet man hier im Forum mit diesem Link: Brief an einen Freund