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Mein Hodenkrebs – von den ersten Anzeichen bis zur Krebsnachsorge

Erste Anzeichen

Irgendwann Anfang des Jahres 2001 hatte ich zum ersten mal ein ungutes Gefühl im rechten Hoden. Er schien irgendwie überempfindlich, schmerzte aber nicht sonderlich. Ich tat die Sache zunächst als eine Nichtigkeit ab und konzentrierte mich weiter auf meinen Alltag. Wochen später hatten sich die Symptome nicht verändert. Im Gegenteil, mein rechter Hoden war auch noch angeschwollen, und ich beschloss (auch auf Druck meiner Freundin) zum Urologen zu gehen.

Rückenschmerzen

Am 04. Juli 2001, einen Tag vor dem Termin bei meinem Urologen war ich wegen anhaltender Rückenbeschwerden noch beim Orthopäden. Ich hielt einen Zusammenhang zwischen den Rückenschmerzen und dem angeschwollen, leicht schmerzenden rechten Hoden für möglich. Ich stellte mir vor, dass irgendeine Ader oder Nervenbahn im Rücken eingeklemmt sei, welche die Hodenbeschwerden verursachen könnte.

Diagnose / Erste Operation

Bei meinem Urologen stellte sich am 05. Juli im ersten Gespräch heraus, dass ein solcher Zusammenhang durchaus denkbar wäre. Daraufhin wurde ich in einen Behandlungsraum mit Ultraschall Einrichtung geführt. Nach einer kurzen Untersuchung stellte mein Urologe fest, dass es sich wahrscheinlich um einen bösartigen Tumor handelt.
Im ersten Moment war mir nicht klar, dass das Krebs heißen könnte. Außerdem klammerte ich mich an den Strohhalm, dass es sich doch nicht um einen bösartigen Tumor handelt. Um eine endgültige Diagnose stellen zu können wurde eine erste Operation nötig. Diese fand drei Tage später statt. Während der Operation wurde dem rechten Hoden eine Gewebeprobe entnommen (Schnellschnitt) und analysiert. Dieser Vorgang dauerte nur einige Minuten und das Ergebnis war, dass der Tumor bösartig ist. Der rechte Hoden wurde daraufhin entfernt. Dieser Eingriff fand unter Narkose statt, ich erfuhr also erst nachdem ich wieder aufgewacht bin, dass mein rechter Hoden entfernt worden war.
Noch immer war ich mir über die Tragweite dieser Diagnose nicht bewusst, ich dachte sogar, dass mit dieser Operation bereits das schlimmste überstanden sei. Der Tumor war ja schließlich entfernt worden.
Der Eingriff war recht klein und ich erholte mich recht schnell, bereits zwei Tage später fuhr ich mit dem Taxi zu einer Praxis um eine Computer Tomographie (CT) des unteren Bauchraums und der Lunge vornehmen zu lassen. Ergebnis – kein Befund. Tags darauf wurde ich aus dem Krankenhaus entlassen.

Gespräch

Wieder einen Tag später, am 13. Juli, fand ein Gespräch zwischen meinem Urologen, mir und meinen Eltern statt. Erst während diesem Gespräch wurde mir deutlich welche Tragweite die Diagnose hatte.
Dr. Wistuba erklärte uns wie die nächste Zukunft für mich wahrscheinlich aussehen würde und stellte einige Szenarien vor. Mir wurde klar, dass mein Kampf gegen den Krebs tatsächlich gerade erst angefangen hatte. Die Aussichten waren aber gut, schon vor der ersten Operation hatte der Doktor immer wieder betont wie hoch die Chancen einer Genesung seien. Wie es konkret weitergehen würde, hing aber von der Entwicklung meiner Blutwerte ab.

Tumormarker

Es ist schon interessant, wie wichtig auf einmal Parameter werden, von denen man bis vor kurzem noch nicht einmal wusste, dass es sie überhaupt gibt. Der Tumormarker, aus der Analyse des Blutes gewonnen, ist ein Indikator der darauf hinweist, ob noch bösartiges Gewebe einer bestimmten Tumorart vorhanden ist oder eben nicht.
Bei mir ergab sich, dass der Tumormarker nach Entnahme des Tumors immer noch weit über dem Normalwert lag. Das legte den Schluss nahe, dass sich bereits Metastasen im Körper gebildet hatten. Der Blick auf diesen Wert wurde für mich der Erfolgsmesser jeglicher Maßnahme im Kampf gegen den Hodenkrebs.

Computer Tomographie

Da besonders ein Tumormarker unverändert hoch war, wurde eine zweite CT und eine Kernspintomographie vorgenommen. Bei Hodenkrebs einer bestimmten Tumorart lässt sich mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit vorhersagen in welche Organe der Tumor seine Metastasen streut. Bei mir waren die Lymphknoten im rechten hinteren Bauchraum, besonders gefährdet. Da aber die erste CT keine Unregelmäßigkeiten im hinteren Bauchraum und in der Lunge festgestellt werden konnte, wurde das Gehirn mit Hilfe des Kernspintomographen untersucht. Hier stellte sich heraus, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Metastasen im Gehirn sind.
So beruhigend die Ergebnisse waren, so größer war die Unsicherheit bezüglich des immer noch schlechten Blutbildes. Also eine zweite CT, die erste hatte einige Unklarheiten in bestimmten Bereichen verursacht in denen das Kontrastmittel nicht ausreichend vorhanden zu sein schien. Kontrastmittel wird getrunken und gespritzt, um bestimmte Kontraste auf den Aufnahmen zu erzielen und damit eine hohe Aussagekraft zu erlangen.
Auch die zweite CT Untersuchung hinterließ noch einige Unklarheiten, jedoch war der Radiologe der Meinung, dass es sich im hinteren Bauchraum an einer bestimmten Stelle doch um eine Metastase handeln könnte.

Uni Klinik

Mein Urologe Dr. Wistuba hatte bereits am 13.07. mit mir verabredet einen Termin an der Polyklinik für Urologie des Universitätskrankenhauses Münster zu machen um dort das weiter Vorgehen abzustimmen. Am 26.07. war es dann soweit. Bei diesem Gespräch zwischen Dr. Wülfing und mir holte ich mir eine zweite Meinung ein, und verabredete einen Termin zur stationären Aufnahme für den 07.08.2001.
Eine weitere Behandlung wurde mir sehr nahe gelegt. Die von Dr. Wistuba als eine von drei Optionen beschriebene Strategie des ‚wait-and-see’, die im übrigen auch von Dr. Wistuba nicht empfohlen worden war, wurde verworfen. Als mögliche Optionen blieb damit noch übrig: erst Operation und danach eine ‚gemäßigte’ Chemotherapie oder eine ‚starke’ Chemotherapie bei der die Möglichkeit besteht auf eine anschließende Operation zu verzichten.

Libori

Es ergab sich, dass ich die Zeit bis zur Aufnahme in Münster dazu nutzen konnte, am großen Stadtfest meiner Heimatstadt Paderborn teilzunehmen. Dieses Fest geht über eine Woche und man hat reichlich Gelegenheit alte Bekannte wieder zu treffen.
Natürlich war ich nicht gerade in Partystimmung, dennoch war die Gelegenheit gut, mich abzulenken und daher ging ich tatsächlich zweimal auf Libori, und das ziemlich intensiv. Einige meiner Freunde wussten natürlich von meiner Krankheit, andere noch nicht. Bei dieser Gelegenheit, sozusagen das erste Mal seit der Diagnose wieder ‚auf der Piste’, wurde mir klar, wie schwierig es für mich ist über die Krankheit zu sprechen. Wie gesagt, dieses Fest ist Gelegenheit alte Freunde wiederzutreffen und damit Anlass den anderen zu fragen wie es ihm geht. Es wurde deutlich, dass ich mit dieser Frage meine Schwierigkeiten hatte, auch wenn ich das nicht immer nach außen durchsickern ließ. Auf jeden Fall war das Libori 2001 eines der seltsamsten meines bisherigen Lebens.

Entscheidung

Morgens am 08.07. wurde ich an der Uniklinik Münster stationär aufgenommen. Es stellte sich schnell heraus, dass die Ärzte aufgrund der bisherigen CT Aufnahmen keine Handlungsempfehlung aussprechen wollten und eine neue CT Untersuchung (mit besonders leistungsfähigem Gerät) für opportun erachteten. Meine dritte CT Untersuchung innerhalb weniger Wochen war auch nicht angenehmer als die vorigen (mir schmeckt das Kontrastmittel einfach nicht), erbrachte aber offensichtlich klare Ergebnisse. Die Ärzte waren sich nun ziemlich sicher, dass sich mindestens eine Metastase an einem Lymphknoten im hinteren Bauchraum gebildet hatte.
Der Chefarzt Dr. Hertle und die Oberärztin Dr. Klisch legten mir Nahe, zunächst die Metastase operativ zu entfernen, und danach, sozusagen als Sicherheitsmaßnahme, eine zweizyklische Chemotherapie zu machen. Vertrauend auf die Kompetenz meiner Ärzte, aber auch von der Strategie überzeugt, ließ ich mich auf diese Verfahrensweise ein.
Ich habe dabei gelernt, dass Medizin auch oft ein abwägen von Wahrscheinlichkeiten bzw. Risiken ist. Das persönliche Risiko einer großen Operation mit den Risken unterschiedlicher Arten der Chemotherapie einzuschätzen ist, wenn man selbst betroffen ist und darüber hinaus kein Experte ist, sehr schwer, dementsprechend ist die Verantwortung der Ärzte, auf dessen Urteil ich mich letztendlich verlassen musste.

Kryo Konservierung

Da sowohl die Operation, als auch die anschließende Chemotherapie Risiken bezüglich meiner Fruchtbarkeit mit sich brachten, entschloss ich mich Samen von mir einfrieren zu lassen. Der Wunsch eigene Kinder kriegen zu können war mir sowohl die etwas peinliche Prozedur als auch die Kosten der Konservierung mehr als wert.
Operation

Ich hatte das Glück, dass ich mit einem gleichaltrigen Patienten auf einem Zimmer lag, der die gleiche Operation gerade hinter sich hatte. Mir war bewusst, das es sich bei dieser Operation (retroperitonealer Lymphadenektomie) um eine recht große Operation handelte bei der der Bauchraum von unterhalb des Brustbeins bis kurz vorm Schambein aufgeschnitten wird. Selbstverständlich machte mir diese Tatsache Angst. Umso überraschter war ich, Michael zu treffen, der diese Operation gerade erst einige Tage hinter sich hatte und bereits wieder durch die Gegend lief. Mir nahm das sehr viel von meiner Angst und half mir, in diese Operation zu gehen.
Am 09.08. gegen Mittag war es dann soweit. Nach einer Nacht die ich auch ohne Beruhigungsmittel recht gut überstanden hatte, fuhr mich eine Schwester zur Operation. Die Wirkung der ‚Scheiß-egal’ Pille tat ihre Wirkung und das letzte vor der OP, an das ich mich erinnere, ist die Anbringung der Schmerzpumpe. Bei dieser Prozedur wird ein Schlauch an das Rückenmark herangeführt, durch den Schmerzmittel direkt am Rückenmark wirken können. An den Rest dieses Tages kann ich mich nicht mehr recht  erinnern.

Erfolge

Unglaublich schnell brachten mich die Schwestern und Pfleger wieder auf die Beine. Bereits einen Tag nach der OP sollte ich schon wieder zum Waschbecken gehen, um mich selber dort zu waschen. Ein Abenteuer über eine Entfernung von ca. 5 Metern, welches ich mir kaum zutraute. Doch auch diese Reise gelang mit Mühe und gab mir irgendwie Mut, mich den kommenden Herausforderungen mit Zuversicht zu stellen. Ferner zeigte sich der Erfolg der Operation: Der betreffende Tumormarker war drastisch gefallen.
Nur sechs Tage nach der Operation wurde ich von meinem Vater vom Krankenhaus abgeholt. Eigentlich war das ganze ohne größere Schmerzen abgelaufen, leichte Schmerzen an der Narbe stellten sich erst ein, als die Schmerzpumpe entfernt wurde, also einen Tag bevor ich entlassen wurde – diese bekam ich aber mit Schmerztropfen, die ich dann noch einige Tage einnahm, schnell in den Griff. Außerdem hatte ich leichte Rückenschmerzen, die wohl daher rührten, dass ich wegen der Spannung auf der Narbe etwas gebückt ging. Am 20.08., elf Tage nach der OP, wurden die Klammern, mit denen mein Bauch wieder zusammengefügt worden waren, von Dr. Wistuba entfernt.

Chemotherapie – erster Zyklus

Da ich wusste, wann mein ehemaliger Bettnachbar und Schicksalsgenosse Michael mit seiner Chemo anfangen würde, war ich bemüht, meine Chemotherapie terminlich so abzustimmen, dass ich ihn wenigstens noch ein oder zwei Tage zu Gesicht zu bekam. Das hatte einerseits den Grund, dass ich ihn sehr sympathisch fand, und andererseits wollte ich, wie bereits bei der OP, von seinen Erfahrungen profitieren.
Auch diesmal gab es mir Zuversicht, ihn bereits bei meiner Ankunft in Münster recht munter mit den ganzen Flaschen an seinem Auto (das Gestell an dem der Tropf hängt) vor dem Krankenhaus in der Sonne sitzen zu sehen.
Es handelte sich bei mir also um eine zwei-zyklische PEB Polychemotherapie, bei der ich je Zyklus 5 Tage stationär in Münster und 16 Tage ambulant zu Hause therapiert wurde.
Die ersten fünf Tage in Münster vergingen recht gut, ich musste mich nur zweimal am 4. oder 5. Tag übergeben und empfand es eigentlich am lästigsten, ständig an den Tropf gebunden zu sein und darüber hinaus auch noch dauernd auf Toilette gehen zu müssen um die ganze Flüssigkeit, die einem in die Adern tropfte, wieder los zu werden. Auch machte mir die erhöhte Empfindlichkeit gegenüber Gerüchen und Geschmack zu schaffen. Der Geruch der Klimaanlage und der Reinigungsmittel, das täglich vom Reinigungspersonal großzügig in den Zimmern verteilt wurden, ließ oft den Wunsch in mir erwachen doch die Fenster öffnen zu können (was wegen der Klimaanlage aber nicht ging).
Die Anbringung des Zentralen Venen Katheters (ZVA) verlief ohne nennenswerte Probleme. Der Zentrale Venen Katheter ist ein Schlauch bis kurz vors Herz, durch den die Chemo fließt bevor es das Herz in die Arterien pumpt. Der ZVA ist wohl deswegen notwendig da das Blut durch die Venen recht langsam zurück zum Herzen fließt und eine hohe Konzentration von Chemotherapiebeständen die betreffende Vene zerstören könnte.
Ansonsten waren die Tage von Routine geprägt. Die einzelnen Stoffe der Therapie wurden nach einem wiederkehrenden Ablauf verabreicht und dieser Plan bestimmte Tag und Nacht.
Natürlich war ich froh die ersten fünf Tage hinter mich gebracht zu haben, allerdings ging es mir die ersten Tage zu Hause körperlich schlechter als im Krankenhaus. Das lag vermutlich daran, dass ich nicht mehr am Tropf hing durch den ja auch die Begleittherapie (also Mittel gegen Übelkeit, Vitamine, etc.) geflossen war. Dennoch war ich sehr froh wieder zu Hause zu sein und mich vor allem wieder halbwegs frei zu bewegen. In den 16 Tagen Zuhause, musste ich noch zweimal ambulant mit Chemotherapie versorgt werden. Dafür begab ich mich in die Praxis meines Urologen Dr. Wistuba, in der ich dann für ca. eine halbe Stunde wieder an den Tropf musste. Meistens wurde mir einige Stunden danach wieder recht übel, außerdem stellte sich so etwas wie Schüttelfrost ein. Diese Unannehmlichkeiten vergingen aber recht schnell und ich konnte wenigsten ein wenig vom Sommer genießen, der bis dahin ziemlich an mir vorbei gegangen war.
Wie in Münster prophezeit, ergab es sich, dass mir gegen Ende des ersten Zyklus die ersten Haare ausfielen. Dies kam verblüffend plötzlich und veranlasste mich, meine Haare, die bereits in Vorahnung sehr kurz geschnitten waren, nochmals stutzen zu lassen. An eine Glatze wagte ich mich aber noch nicht.

Chemotherapie – zweiter Zyklus

Am 13.09. ging es dann zur zweiten Chemo wieder nach Münster. Bereits am Eingang ins Krankenhaus machte mir der ‚Gestank’ der Klimaanlage wieder zu schaffen.
Wieder traf ich meinen alten Leidensgenossen Michael, der immer ein bisschen Vorsprung mir gegenüber hatte und der für mich zum Anschauungsobjekt bezüglich meiner eigenen zukünftigen Therapie geworden war. Dieser steckte die Chemo beneidenswert gut weg, und gab mir daher immer ein gutes Beispiel.
Wie bereits erwähnt, war der Ablauf des zweiten Zyklus identisch mit dem ersten Zyklus. Dessen ungeachtet nahm ich aber den zweiten Zyklus anders wahr. Psychologisch war von Vorteil, dass es voraussichtlich der letzte Zyklus war, nachteilig war, dass ich genau wusste, was auf mich zukommt, ich im Prinzip vorbelastet, und mein Körper von dem ersten Zyklus schon etwas mitgenommen war. Demzufolge verlief der zweite Zyklus auch unangenehmer als der erste. Ich musste schon am zweiten Tag erbrechen und tat dies noch so einige Male bis zum Ende der Therapie. Selbst die Phase Zuhause war anfangs noch von regelmäßigem Brechen geprägt. Das letzte Erbrechen als Folge der Chemo fand sogar noch statt, als ich schon in der Rehabilitation, 3-4 Tage nach der letzten ambulanten Infusion, war. Nebenbei hatte ich einige Aversionen gegen Fleisch, Kaffee, Bier, etc.  entwickelt und hatte auch sonst nur noch wenig Appetit. Folglich nahm ich ca. 10 kg (von ca. 90kg auf ca. 80 kg, bei 1,97 cm Körpergröße) ab und sah auch entsprechend aus. Die Haare habe ich mir dann ganz abrasieren lassen, weil sie schon locker waren und sogar auf der Kopfhaut unangenehm pieksten, wenn ich darauf lag. Es sah auch nicht besonders ästhetisch aus hier und da einige Haare zu haben und an anderen Stellen wiederum gar keine. Am 20.09. wurde ich in Münster aus dem Krankenhaus entlassen und machte mich an die letzte Etappe der Chemotherapie. Die ambulanten Infusionen wurden immer unangenehmer und die letzte am 01.10. haute mich doch ziemlich um. Fast hätte ich den Beginn der Rehabilitation am 03.10. in Bad Oexen verschoben, weil ich mich so schlecht fühlte. Alles in allem (und mit ein paar Monaten Abstand) war die Chemotherapie nicht so schlimm wie ich es mir ausgemalt hatte, es war aber auch nicht gerade ein Zuckerschlecken. Sonst ist mir aufgefallen, dass jeder anders auf die Chemotherapie reagiert (mein Kollege Michael bekam die gleiche, und hat sie viel besser weggesteckt als ich) und dass die eigene Einstellung eine große Rolle spielt inwiefern man es mental zulässt von der Chemotherapie beeinflusst zu werden. Mich kurzfristig selbst ein wenig bezüglich meines eigenen Zustands zu beschummeln war auf jeden Fall nicht die schlechteste Strategie.

Heilung

Am 01.10., der Tag der letzten Chemo Infusion, teilte mir mein Urologe Dr. Wistuba mit, dass meine Blutwerte, der erwähnte Tumormarker, wieder auf ein normales Maß gefallen sei. Damit galt ich als Tumorfrei. Das Zeichen des Erfolges vom steinigen Weges der letzten Monate kam passend zum Ende der Chemotherapie.
Noch heute fällt es mir allerdings schwer auszudrücken, dass ich geheilt bin. Immer noch sage ich, dass ich als geheilt gelte. Einmal Krebs immer Krebs? Vielleicht ist es die Angst, dass die Krankheit wiederkommt.

Rehabilitation

Eigentlich hatte ich Glück so schnell in einer Reha Einrichtung unterzukommen, doch war ich von der Chemo noch so mitgenommen, dass ich in den ersten zwei drei Tagen noch recht passiv war und die Anwendungen fast zur Qual wurden.
Doch erholte ich mich dann recht schnell und war wieder mal erstaunt wie schnell sich der Körper kräftigte. Beim Ergometerrad fahren bekam ich es schwarz auf weiß. Bei ständig steigender Belastung blieb der Belastungspuls über die Wochen ziemlich konstant und der Erholungspuls, der eine Minute nach der Belastung gemessen wird, verbesserte sich immer mehr. Ganz allgemein ausgedrückt, hat mir die Reha aus zwei Gründen sehr viel gebracht. Zum einen wegen der bereits angedeuteten und fast täglich festzustellenden körperlichen Erholung und zum zweiten wegen dem Kontakt zu anderen Krebspatienten. Der damit verbundene Erfahrungsaustausch war unter anderem auch ein Grund, dass Internetprojekt www.meinkrebs.de zu gründen. Nach drei Wochen Heilbehandlung in Bad Oexen ging es mir schon wieder ziemlich gut. Auch fingen gegen Ende dieser Zeit die ersten Haare wieder an zu sprießen.

Abschlussuntersuchung

Am 22.11.2001, knapp einen Monat nach der Reha, fuhr ich zur Abschlussuntersuchung  noch mal nach Münster. Hier wurde mir erneut mitgeteilt, dass ich als geheilt gelte und ich bin mit dem guten Gefühl nach Hause gefahren hoffentlich so bald nicht mehr in dieses oder irgendein anderes Krankenhaus gehen zu müssen.

Nachsorge

Für mich steht jetzt die erste Nachsorgeuntersuchung an. Eine Computer Tomographie wurde bereits vorgenommen (mit dem Ergebnis, dass alles gut aussieht) und die Blutuntersuchung wird in kürze stattfinden.
Das Dumme an der Nachsorge ist, dass ich diese Untersuchungen für die nächsten 2 Jahre alle 3 Monate machen muss. Dabei ist die Tatsache, dass ich dann wieder dieses scheußliche Kontrastmittel trinken muss, die Warterei u.s.w. gar nicht sonderlich schlimm. Eher schlimm ist, dass man unmittelbar daran erinnert wird, wie sehr krank man kürzlich noch war, und dass die Gefahr besteht, dass der Krebs wiederkommt (sonst würde man ja nicht so engmaschig untersuchen).

Das Leben geht weiter

Im großen und ganzen habe ich diese Krankheit ganz gut überstanden (soweit ich das zu diesem Zeitpunkt beurteilen kann). Bevor ich krank gewordnen bin, hatte ich gerade mein Studium beendet und befand mich auf Jobsuche. Meine größte Sorge zur Zeit ist, inwiefern die Krankheit meine Erfolgchancen bei der Arbeitssuche beeinflusst. Bisher waren meine Bemühungen vergebens, allerdings vermag ich nicht zu beurteilen, ob das mit der Krankheit zusammenhängt oder nicht.

Danke

Ich danke Simone, meiner Familie und Freunden, den Arzthelferinnen, Pflegern, Schwestern, Ärzten und meinen Leidensgenossen.

Anmerkungen

Ich habe einige medizinische Zusammenhänge versucht mit meinen eigenen Worten zu erklären und möchte darauf hinweisen, dass ich diese Zusammenhänge falsch verstanden haben kann. Daher kann ich nicht für deren Richtigkeit garantieren. Bei Fragen oder Anregungen schreiben Sie doch einfach

6 Antworten auf „Mein Hodenkrebs – von den ersten Anzeichen bis zur Krebsnachsorge“

Danke das es solch ehrliche und tapfere Menschen gibt um anderen mut zu machen am Ball zu bleiben . Ich wünsche dir eine gute Besserung .

Hallo Hope,
ich fürchte das in diesem Bericht nicht der worst-case beschrieben wird. Viel mehr der best-case. Ich habe den Hodenkrebs gut überstanden und hatte auch noch das Glück nicht unfruchtbar zu werden und habe jetzt zwei bezaubernde Kinder…
Liebe Grüße und alles Gute für Dich!
Uli

Vor einigen Tagen wusste ich noch nicht viel über Hodenkrebs. Schön, hier mehr darüber zu erfahren. Da es nicht einfach ist, gute Beiträge zu dem Thema zu finden, bin ich froh, auf diesen Blog gestoßen zu sein.

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